Vorlesungssaal in Birmingham
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Erasmus in Birmingham: Mit Kaffee und Keksen lernt es sich besser

Mara hat ihre erste Uni-Woche als Erasmus-Studentin verbracht. Sie freut sich über motivierte Studenten und gesellige Dozenten, weiß aber auch, dass viel Arbeit auf sie zukommen wird.

Obwohl ich schon zwei Jahre in Deutschland studiert habe, war ich ziemlich aufgeregt, als ich mich am Montagmorgen zu meinem ersten Auslandssemester-Kurs aufmachte. Erster Vorteil an Birmingham: Die frühesten Veranstaltungen beginnen um neun, das ist eine Stunde mehr Schlaf als an der HU. Mein erster Kurs war etwas ernüchternd – unter Academic Discourse hatte ich mir ein bisschen mehr erhofft als die Argumentationsstrukturen von Essays, die ich schon in der 9. Klasse gelernt hatte. Ich will wissen, wie man hier zitiert oder was den Essay-Titel ausmacht, denn dass man Pronomen oder endlose Schachtelsätze vermeiden soll, habe ich mir schon gedacht (obwohl ich in der Hinsicht gerne rebelliere). Da der Kurs nur aus internationalen Studenten besteht, die aus ihrem Land vielleicht einen anderen Schreibstil kennen, hatte ich etwas Nachsicht und freute mich während der Vorlesung über Victorian Literature umso mehr darauf, Dickens und Eliot zu lesen.

Wirklich überrascht war ich erst am nächsten Tag, als ich im Seminar zu German Language Cinema Since 1960 saß. Wir waren knapp 15 Studierende, der Dozent brachte uns 30 ausgedruckte Seiten mit und stellte sich mit Vorname vor, bevor sich eine rege Diskussion entfaltete, an der alle teilnahmen. Ist das eine Utopie? Ich bin es gewöhnt, dass sich 25 bis 40 Leute in einen Raum quetschen, dass man seinen Reader gefälligst selbst bezahlt und üblicherweise etwa zehn Prozent der Kursteilnehmer argumentieren und der Rest ehrfürchtig lauscht. Noch seltsamer war es, plötzlich von Leuten umgeben zu sein, die gerade ihr Auslandsjahr hinter sich haben, fast fließend deutsch reden und von Mainz und Köln schwärmen. Nach zwei Wochen hatte ich mich schon daran gewöhnt, dass alle um mich herum englisch sprechen und plötzlich hörte ich wieder von allen Seiten meine Muttersprache – vielleicht mal mit einem falschen Dativ oder einem englischen „r“ dazwischen.

Im Laufe der Woche wurde mir bewusst, dass ich mich zwar mit Sturm und Drang oder Neuer Subjektivität auskenne, aber wenig Ahnung von britischen Literaturepochen habe. Auch mein akademischer Schreibstil lässt auf Englisch eher zu wünschen übrig. Trotzdem: Nach fünf Tagen an der University of Birmingham war ich schlicht begeistert von der Atmosphäre in den Kursen. An der HU hatte ich noch kein einziges Seminar, in dem der Dozierende Kaffee und die Studierenden Kekse und Kuchen mitbringen. Auch freiwillige Referate oder Mitbestimmung bei der Kursstruktur waren mir bis dato fremd.

Ich befürchte zwar jetzt schon, dass ziemlich viel Arbeit auf mich zukommen wird, aber als ich die Woche im Pub mit einem Cider ausklingen ließ, war ich relativ zufrieden.

Mara berichtet regelmäßig über ihr Erasmus-Semester. Lest hier:

Teil 1: Mara begreift, was die Erasmus-Zusage eigentlich genau bedeutet

Mit Erasmus ins Ausland: Zwischen Angst und Antragswahnsinn

Teil 2: Die Ersti-Woche

Erasmus in Birmingham: England ist mehr als Tee und Dauerregen

Teil 4: Sooooo viele Studentengruppen – wie soll man da noch studieren?

http://www.spreewild.de/schule-zukunft/2018/03/erasmus-in-birmingham-studieren-zwischen-disney-und-akrobatik/

Foto: Mara Buddeke

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Kategorien Schule & Zukunft Uni & Ausbildung

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