Ade Karl, Donatella & Phoebe: Sechs junge Designer im Portrait

Chanel hat Karl. Versace hat Donatella. Céline hat Phoebe. Große Namen für große Häuser – das galt lange Zeit als eine ungeschriebene Regel im Modebusiness.

Aber: Die Designer, die heute wichtige Trends setzen, mit ihren Kollektionen in der Branche den Ton angeben und das teilweise veraltete Modekonstrukt auf den Kopf stellen, sind vor allem junge Talente. Sie haben zwar keine Erfahrung, dafür aber frische Ideen. Ihre Innovation und Provokation ist richtungsweisend. Eine Auswahl im Portrait.

Dieser Artikel ist erschienen in Werk6, dem Magazin des 6. Semesters der Akademie Mode & Design Berlin.

Olivier Rousteing, 30, für Balmain

Der 30-jährige Kreativdirektor von Balmain gehört trotz seines zarten Alters zu den aktuell wichtigsten französischen Designern. Als Adoptivsohn einer Optikerin und eines Hafen-Direktors wächst Oliver Rousteing in Bordeaux auf. Er selbst spricht davon, ein verwöhntes Einzelkind gewesen zu sein, weshalb es ihm zunächst schwer fällt, zu Beginn seines Studiums in Paris Fuß zu fassen. Doch schließlich lernt Rousteing das Pariser Nachtleben kennen, jobbt sogar als Tänzer in einem Club. Nach seinem Abschluss an der Esmod im Jahr 2003 startet Rousteing seine modische Karriere zunächst beim kitschigeren italienischen Äquivalent Balmains: dem Hause Roberto Cavalli. In Florenz angekommen, steigt Rousteing innerhalb kürzester Zeit vom Praktikanten zur rechten Hand des Chefdesigners auf. 2009 folgt dann der Wechsel zu Balmain, wo er zweieinhalb Jahre später – mit gerade einmal 25 Jahren – zum kreativen Kopf des über 60 Jahre alten Traditionshauses ernannt wird. Somit ist Rousteing nach Yves Saint Laurent (der mit 21 Jahren der kreative Leiter von Dior wurde) der jüngste Chefdesigner an der Spitze eines französischen Modehauses.
Neben seinen opulenten Entwürfen für Balmain steht Rousteing heute vor allem für eines: Social Media. Auf Instagram und Facebook präsentiert er sich so medienwirksam wie sonst keiner seiner Kollegen. Schamlose Oben-Ohne-Selfies und unzählige Party-Fotos in prominenter Gesellschaft zieren den Feed des „King of Instagram“ (Vogue UK). Doch Rousteing nutzt seine aktuell 3,2 Millionen Follower und Promi-Freunde wie Kim Kardashian, Rihanna oder Rosie Huntington-Whiteley nicht ausschließlich zur Selbstpromotion: Mit seinen Fotos und Videos macht er die glamouröse/pompöse Mode Balmains der breiten Masse verständlich. Und – in Kooperation mit H&M – manchmal sogar finanziell zugänglich.

Demna Gvasalia, 35, für Vetements und Balenciaga

Der aktuelle Balenciaga-Designer ist seit Karl Lagerfeld der erste Deutsche an der Spitze eines großen Pariser Modehauses. Denn obwohl Demna Gvasalia in Georgien geboren ist und aktuell in Frankreich lebt, besitzt er die deutsche Staatsangehörigkeit. Da sein Vater berufsbedingt in das Ruhrgebiet versetzt wurde, zog Gvasalia 2000 mit seinen Eltern nach Düsseldorf. Hier ging er zur Schule. Und hier leben seine Eltern bis heute.
Den Aufstieg des Mode-Rebellen könnte man als kometenhaft beschreiben. Nach seinem Studium an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen arbeitet Gvasalia für die Avantgarde-Marke Maison Martin Margiela. Dort entwickelt er seinen schon heute unverkennbaren Stil und kommt zu der Philosophie, dass es beim Entwerfen von Kleidung nicht darum geht, den Kunden zu verkleiden. Für Gvasalia ist vielmehr das Kleidungsstück, seine Struktur und Passform selbst relevant. Ein Leitgedanke, für den auch Martin Margiela bekannt war.
2014 verlässt Gvasalia das belgische Modehaus und gründet gemeinsam mit sechs weiteren anonymen Designern eines der aktuell meist gehypten Modelabels überhaupt: Vetements. Hiermit wird er schnell bekannt. Denn die Entwürfe des Kollektivs sind für den Kunden provozierend genug, um Aufmerksamkeit zu generieren und dabei leicht verständlich. Wie der Name der Marke verrät, bestehen die Kollektionen von Vetements aus Basis-Stücken wie Kapuzenpullovern (oversized), Jeans (dekonstruiert) und T-Shirts (aussagekräftig). Konventionslose Kleidung.
Und auch Gvasalias erste Entwürfe für das 1937 gegründete Modehaus Balenciaga, dessen Kreativdirektion er Ende des letzten Jahres übernahm,  sind alles andere als formell. Ähnlich wie Nicolas Ghesquière, der vor fast 20 Jahren das etwas verstaubte Traditionshaus in Richtung cool boostete, geht Gvasalia heute vor: Mit seiner eigenwilligen Attitüde kreiert der 35-Jährige beispielsweise Wollkleider und Kostüme, deren Hüften exaltiert sind oder Bikerjacken, deren Ausschnitte so weit über die Schulten gezogen werden, dass sie an die grazilen Dekolletees der Kleider Cristóbal Balenciagas erinnern.
Damit eröffnet er für das Unternehmen ein neues Kapitel des kreativen Erfolgs. Eines, das dem Haus unter dem Vorgänger Alexander Wang verschlossen geblieben war.

Alexis Martial & Adrien Caillaudaud, beide 31, für Carven

Der Trend, dass sich viele Modehäuser für junge, (noch) unbekannte Designer entscheiden, wird bei diesem Duo besonders deutlich: Alexis Martial und Adrien Caillaudaud stehen für eine neue Generation französischer Designer. Sie ziehen im Hintergrund der großen Modehäuser schon seit Jahren die Strippen und sind somit maßgeblich an der Entwicklung neuer Trends und modischer Strömungen beteiligt.
Martial wächst in Paris auf. Hier besitzen seine Eltern ein Atelier zur Vergoldung von Leder, Handwerk spielt somit schon von Anfang an eine große Rolle in seinem Leben. Nach dem Studium an der rennomierten Pariser Modeschule Atelier Chardon Savard und Stationen bei Givenchy und Paco Rabanne wird Martial 2013 zum Kreativdirektor von Iceberg ernannt. Seinen Studienkollegen, Freund und ebenfalls gebürtiger Pariser Caillaudaud zieht es ebenfalls zu Givenchy – er ist hier für das Accessoiredesign der Marke verantwortlich. Somit ergänzen sich die beiden in ihrer Arbeit perfekt.
Im März 2015 folgt der gemeinsame Wechsel zum früheren Couturehaus Carven, wo das Duo den als Wunderkind gefeierten Guillaumne Henry als Kreativdirektoren ablöst. Zu diesem Zeitpunkt sind beide erst 30 Jahre alt. Ihre femininen und frischen Entwürfe festigen das Bild des verspielten Carven-Stils binnen drei Saisons und verhelfen dem Image des Unternehmens zu mehr Jugendlichkeit. Das neue Carven-Girl ist freier und weniger gut erzogen. Sie trägt seit der Debütkollektion der beiden sogar Hosen (!) und grelle Farben, die von der Architektur der 1960er- und 70er-Jahre inspiriert sind.
Mit der Vorarbeit Henrys schaffen Martial und Caillaudaud Carvens Transformation vom veralteten Haute-Couture-Haus zum begehrten Trendlabel. Diese Art von Imagewechsel ist für Frankreich wohl bis heute einzigartig, denn die meisten Pariser Modehäuser fokussieren sich nach ihren Relaunches weiterhin auf High-End-Teile und das Luxussegment.

Mary-Kate & Ashley Olsen, beide 29, für The Row

Mit nur fünf Monaten wurden die Olsen-Zwillinge von ihrer Mutter ins Showbusiness gezerrt. 30 mehr oder weniger (eher weniger) anspruchsvolle Kinofilme und Serien später, finden die beiden Teenie-Superstars 2007 endlich ihre wahre Berufung: Mit nur 21 Jahren gründen die Schwestern das Modelabel The Row, eine Marke, die sich dem eleganten Minimalismus verschreibt, bei der viel mit Layerings gearbeitet wird und Echtpelz trotz PETA-Protesten („Hairy-Kate und Trahsley Trollsen“) eine große Rolle spielt.
Und entgegen der prominenten Vorbelastung und Vorurteile Seitens der Presse und Fans entwickelt sich die Marke innerhalb weniger Saisons zu einem der aktuell wichtigsten Modelabels auf der New Yorker Fashion Week. Denn: Nach sehr basiclastigen Anfängen werden die Kollektionen der Olsens zunehmend raffinierter. Aus dem ehemaligen Anspruch, das perfekte T-Shirt zu designen, entwickeln die zweieigen Zwillinge das heutige Konzept von The Row. Ihr Label überträgt die Prinzipien der Maßschneiderei auf die exklusiven Stücke der Linie. Die komplette Kollektion ist handgefertigt, aus feinsten Materialien hergestellt und Made in USA.
Vergangenes Jahr kommt es dann zum bisherigen Höhepunkt in der modischen Laufbahn von Mary-Kate und Ashley Olsen: Mit dem CFDA Womenswear Designer of the Year Award gewinnt The Row den wohl wichtigsten Preis der gesamten US-Branche – und das schon zum zweiten Mal. Wie im Jahr 2012 setzen sich die Schwestern gegen das Designer-Duo Jack McCollough und Lazaro Hernandez von Proenza Schouler oder auch alte Hasen wie Marc Jacobs durch.
Damit gehört The Row nun endgültig zu den amerikanischen High-Class-Labels, die internationale Modetrends setzen. Und das alles trotz einer unvergesslichen, oder auch unwiderruflichen „Full House“-Vergangenheit (Dreharbeiten von 1987 bis 1995) – inklusive einer verlorenen Kindheit.

Dieser Artikel ist im Werk6-Magazin erschienen.

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