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Lernen wir in Längsschnitten wirklich besser?

Carola Wondrak macht sich Sorgen um das Fach Geschichte.

Um eine Situation beurteilen zu können, muss man wissen, was zu ihr geführt hat. In der Schule haben wir im Fach Geschichte in der fünften Klasse mit den Ägyptern und den Griechen angefangen und arbeiteten uns dann über Großdeutschland, den Zollverein und die Weltkriege bis zur DDR vor. Wir lernten, dass diese Dinge einander hervorgebracht haben und man sie deshalb nicht allein für sich betrachten kann.

Ich muss zugeben, dass dieser Unterricht auch Schwächen hat. Der Kalte Krieg wird knapp vor dem Abitur nur hektisch abgehakt, ganz am Ende spricht man noch kurz über den Fall der Mauer, dann wird man mit dem Satz „Und bei allem, was danach kam, wart ihr ja dabei“ in die Abiturprüfung entlassen. So einfach ist es aber nicht. Die Geschichte blieb bei diesem chronologischen Unterricht immer weit weg für uns. Die Römer hatten nichts mit uns zu tun und auch die DDR war bloß ein abgeschlossenes Kapitel in der Vergangenheit, zeitlich zwar weniger weit entfernt als die Römer, aber für unsere Gegenwart genauso unwichtig. Natürlich stimmt das nicht. Die Römer und die DDR haben zu unserer Gegenwart geführt. Der Geschichtsunterricht stellt nur keine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart her.

Die Berliner Bildungsverwaltung will jetzt eine Lösung dafür gefunden haben. Die Lehrpläne sollen ab dem kommenden Schuljahr anders sein – in mehreren Fächern, doch in Geschichte sind die Veränderungen besonders gravierend. Ab der siebten Klasse soll nicht chronologisch vorgegangen werden, sondern in sogenannten Längsschnitten: Behandelt wird der Stoff in Themengebieten. So werden etwa Rollenbilder und Ideologien besprochen und dann in zeitlichen Sprüngen betrachtet. Zum Beispiel: Gab es Migration schon im Mittelalter? Auf diese Weise soll der Bezug der Geschichte zum Hier und Jetzt deutlicher werden. Erst von der neunten Klasse an gibt es chronologischen Unterricht – allerdings wird nur die Zeit ab dem 19. Jahrhundert dabei betrachtet. Ich sehe das sehr kritisch. So wie es bisher unterrichtet wurde, bemüht sich das Fach Geschichte darum, bei allem, was passiert ist, den Hintergrund der Zeit zu bedenken. Davon würde in den Längsschnitten wahrscheinlich einiges verloren gehen. Dann wissen wir in Zukunft zwar, wie es dazu gekommen ist, dass wir heute so leben, wie wir leben. Wenn uns dafür aber das allgemeine Wissen darüber, wie die Menschen früher gelebt haben, abhandenkommt, ist das ein zu hoher Preis.

Von Carola Wondrak, 21 Jahre

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