Ein Tag in meinem Leben im Jahr 2053

Designerbabys - Traum oder Albtraum? Foto: Rainer Sturm/pixelio.de
Designerbabys – Traum oder Albtraum? Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

Roboter als Haushälter, fliegende Taxis, Urlaub auf dem Mars… In unserer spreewild-Serie schreiben sich die Jugendreporter in die Zukunft.

Es ist genau neun Uhr morgens, als ich aufwache. Der kleine Chip hinter meinem Ohr hört auf zu vibrieren. Die Sonne scheint durch das schmale Fenster in das Zimmer und ich blinzle gegen das Sonnenlicht.
Eine kleine Kamera hängt über meinem Bett und verfolgt jede meiner Bewegungen. Aus der Wand dringt eine liebliche Stimme, die mich über die neuesten Nachrichten und meinen heutigen Tagesplan informiert. Müde setze ich mich auf und seufze.
Das riesige Haus ist still. Mein Mann ist bereits zur Arbeit gegangen und die Kinder rufen mich meist nur am Wochenende an, und auch das nur, wenn sie es nicht vergessen. Der Kaffee steht bereits fertig auf einer Wärmeplatte und dampft sicherlich seit einer Stunde vor sich hin, ohne abzukühlen. Den Rest des automatisch zubereiteten Frühstück lasse ich wie immer unberührt stehen.
Ich nehme mir nur die Zeit zum Kaffeetrinken, nicht aus Zeitknappheit, sondern weil ich es schon immer so mache. Meine Tasche steht fertig gepackt neben der Tür und im Auto werde ich abermals von der Computerstimme begrüßt, bevor wir losfahren und ich die Landschaft an dem Fenster vorbeiziehen sehe.
Seit ich vor mehr als dreißig Jahren angefangen habe, im Filmstudio zu arbeiten, hat sich viel verändert. Ich erinnere mich an die Gespräche mit den Schauspielern, die mich in den Wahnsinn trieben. Nun gehören alle Menschen am Filmset der Vergangenheit an, schließlich haben wir nun Programme für sie erfunden, die besser, netter, billiger, berechenbarer, kurz: perfekter sind.
Nun muss ich mich mit ihnen beschäftigen. Das ist mein Job.
Im Nachbarbüro neben meinem Büro arbeitet der Mann, der die Schauspieler nach meinen Anweisungen programmiert. Es ist erschreckend. Ich wollte Regisseurin werden, um einmalige Filme mit unvergleichlichen Wirkungen zu kreieren, doch nun kreiert das Programm alles, was man sich früher mit Schweiß hart erarbeiten musste. Es ist nicht mehr dasselbe.
Ich vermisse die Zeit der anregenden Diskussionen hinter den Kulissen. Die Zeit für die kreativen Entdeckungsreisen. Heute ist da ein Plan, wie es gemacht wird. Kein Denken. Kein Geräusch.
Um sechs Uhr vibriert der Chip hinter meinem Ohr erneut. Ich habe acht Stunden lang gearbeitet, ohne Pause. Mein Körper spricht schon längst nicht mehr mit mir. Unsere Gehirne sind schneller, unsere Körper stärker als früher.
Zuhause erwartet mich bereits mein Mann. Er sitzt auf der Couch und betrachtet etwas auf einer schmalen Glasplatte. Ich sehe ihm über die Schulter und runzle die Stirn. „Wer ist das?“, frage ich verwirrt und betrachte das Foto des kleinen Mädchens mit den strahlend blauen Augen.
„Unser nächstes Enkelkind“, erwidert er äußerlich ruhig und sieht auf. „Herzlichen Glückwunsch, Liebling. In neun Monaten werden wir schon wieder Großeltern.“
Ich brauche eine Sekunde, um die Bedeutung dieser Worte zu realisieren und sie mit dem Bild in Bedeutung zu bringen. Jahre zuvor hatte ich einen riesigen Streit mit meiner jüngsten Tochter über dieses Thema, das bereits zu meiner Zeit kontrovers war.
„Ich kann das nicht mehr“, sage ich kraftlos und sehe ihm in die Augen, denn er sieht mich mit diesem einen speziellen Blick an, den ich kenne, seit ich ihn das erste Mal getroffen habe.
Er sagt: „Ich weiß.“

Von Corinne, 17 Jahre

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Kategorien Schule & Zukunft

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