Sushi statt Schwarzbrot

Kein Geld, keinen Plan, keine Sprachkenntnisse – und doch hat Fritz ein Jahr in Japan überlebt

Ein Jugendreporter und seine Kamera – in überraschend dünn besiedelten Gegenden Japans, auf der Insel Niijima, 200 Kilometer südlich von Tokyo. Foto: Fritz Schumann

Treffen sich zwei Deutsche in Tokyo. Eine der ersten Fragen ist bestimmt: „He, kennst du ‘ne gute Bäckerei?“. Ich habe ein Jahr in Tokyo gelebt, bin vor gut einer Woche zurückgekehrt, und Brot habe ich in dieser Zeit wirklich vermisst. Viele andere Sachen jedoch nicht.

Nach meinem Zivildienst bin ich mit meinem ersparten Geld im Juli 2009 nach Tokyo geflogen – mit der Absicht, dort zu leben. Ich wusste nicht, wie lange ich bleiben würde, hatte keinen längerfristigen Plan, keinen Job, sprach kein Japanisch und wusste auch nicht, wo ich wohnen sollte. Am Ende bin ich ein Jahr geblieben und habe eine anstrengende und glückliche Zeit verlebt.

Da Tokyo sehr teuer ist und mein Gespartes schnell aufgebraucht war, musste ich mich nach Arbeit umsehen. Ich habe größtenteils als Fotograf gearbeitet, für Auftraggeber in Tokyo, aber auch für deutsche Medien. Ich bin durch das Land gereist, durch den Schnee des kalten japanischen Nordens gestapft, habe mich in Wäldern verirrt und musste dort übernachten, habe die Berge rund um Tokyo bestiegen, Fischer überredet, mich kostenlos auf die vielen kleinen Inseln von Japan zu bringen, und ich bin durch den Regen des tropischen Südens gelaufen. Geld hatte ich selten, und wenn, dann ging es meistens für die Miete meines Zimmers in Tokyo drauf: 500 Euro für vier Quadratmeter. Ohne Fenster.

Wenn man auf Reisen geht, seine gewohnte Umgebung verlässt und sich allein in die Welt aufmacht, besinnt man sich aufs Wesentliche. Für mich war nur wichtig, ein Dach über dem Kopf und einen vollen Magen zu haben. Hatte ich das – und meine Kamera – war ich glücklich. Oft hatte ich es nicht.

In den ersten zwei Wochen nach meiner Ankunft bin ich zu den Inseln südlich von Tokyo aufgebrochen. In einem Sturm ist mir meine Kamera kaputtgegangen, die ich erst Wochen später ersetzen konnte. Es gab auch mehrere Wochen, in denen ich kein Geld für Essen hatte. Dann lebte ich von meinem Glas mit Zehn-Yen-Münzen, die je etwa acht Cent wert sind. Ich nahm jeden Tag zehn Stück, ging zum Laden und kaufte mir eine Packung Instant-Nudelsuppe, die dann für den Tag reichen musste.

Natürlich habe ich in Japan auch einen Blog geführt und viele Anfragen von jungen Menschen bekommen, die auch einmal ein Jahr in Japan verbringen möchten und mich fragten, was sie dafür brauchen würden. Meine Antwort war dann immer: Geld- oder Fettreserven, um auch die Durststrecken zu überstehen. Ohne meine Wampe und die Hilfe meiner Eltern hätte ich die ersten Monaten nicht überlebt. Außerdem hilft es, wenn man zurückhaltend und geduldig ist – Japaner brauchen eine lange Zeit, bis sie einem vertrauen, und wenn man am Anfang zu entschlossen auf sie zugeht, verunsichert das nur.

Nun bin ich wieder in Berlin. Die gewöhnungsbedürftige Berliner Freundlichkeit, die allgemeine Frustration in den Gesichtern der Menschen oder die ständige Gefahr, beklaut zu werden – die haben mir nicht gefehlt. Doch wenn ich mit meinen Freunden in einer hellen, mehr als geräumigen Berliner Altbauwohnung sitze und frischgebackenes Brot esse, bin ich doch froh, wieder hier zu sein. Und Tokyo ist auch nur das Geld für ein Flugticket entfernt (von Fritz Schumann, 21 Jahre)

Mehr über Fritz’ Abenteuer 
erfahrt ihr in seinem Blog unter http://tokyofotosushi.wordpress.com

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