Prominente Frage

Stefan Liebich: (Die Linke) ist Politiker. Er sitzt seit 2009 im Deutschen Bundestag. Foto: DPA
Stefan Liebich (Die Linke) ist Politiker. Er sitzt seit 2009 im Deutschen Bundestag. Foto: DPA

Stefan Liebich fragt die Jugendredaktion: „Vor wenigen Tagen wurde die Gedenktafel für Jonny K. enthüllt, der, wie manche sagen und schreiben, ohne Grund totgeschlagen wurde. Gibt es aus eurer Sicht Gründe, Gewalt gegen andere auszuüben?“

 

Die Jugendredaktion antwortet:

 

Je mehr ich über diese Frage nachdenke, desto unmöglicher erscheint es mir, eine Antwort zu finden. Mein erster Impuls war es, wie eine überzeugte Pazifistin zu antworten, dass Gewalt gegen andere in keinem Fall angewandt werden sollte, dass es keine legitimen Gründe geben kann, weil man bei einer Gewaltanwendung nur ungerecht sein kann. Doch das kann nicht die Lösung sein. Man denke an den Bürgerkrieg in Syrien, der mit Aufständen gegen den Diktator Baschar al-Assad begonnen hat.

 

Im Fall einer Revolution wie der, mit der der Krieg begann, treffen nämlich zwei Arten von Gewalt aufeinander: Die erste ist eine mehr oder weniger lautlose Gewalt, die vom Diktator ausgeht, der das Land jahrelang tyrannisiert hat.

Sie äußerte sich nicht nur in körperlichen Schäden, sondern auch in psychischen. Darauf antworteten Teile der Bevölkerung mit physischer Gewalt. Sie erscheint in diesem Zusammenhang fast wie Notwehr, und Gewalt als Notwehr ist in Deutschland sogar gesetzlich gestattet. Aus meiner Sicht ist Gewalt in Situationen wie dieser aber trotzdem nicht gutzuheißen. Denn jeder Tote ist einer zu viel, und in „Gut“ und „Böse“ kann man die Konfliktparteien sowieso nicht einteilen.

Die Gedenktafel für Jonny K. wurde an seinem ersten Todestag eingeweiht. Foto: DPA / Bernd von Jutrczenka
Die Gedenktafel für Jonny K. wurde an seinem ersten Todestag eingeweiht. Foto: DPA / Bernd von Jutrczenka

Doch die Anwendung von Gewalt erscheint mir in diesem Fall nachvollziehbarer als bei der Prügelei, in der Jonny K. gestorben ist. Jonny K. mit Syrien zu vergleichen, funktioniert natürlich nicht.

 

Ich finde, man sollte Gründe für Gewalt nicht kategorisieren und einige als gerechtfertigt einstufen, denn fast immer erzeugt Gewalt nur neue Gewalt, sodass eine Spirale entsteht, in der man Recht von Unrecht nicht mehr unterscheiden kann und aus der kaum jemand entkommt. Und damit wären wir wieder beim Anfang: Vielleicht gibt es moralisch gerechtfertigte Gründe für eine Gewaltanwendung, aber die Gewalt selbst mit all ihren Folgen kann nicht moralisch richtig sein. Umsetzbar ist dieser Gedanke natürlich nicht – vielleicht bleibt als einzige Lösung, doch Mahatma Gandhis Weg der Gewaltlosigkeit und seinem eigenen Gewissen zu folgen.

 

Mit ratlosen Grüßen

Ihre Josephine Valeske (17 Jahre)

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