Europa ohne Orangen

Eine Jugendreporterin verreist – und stellt sich vor, wie das wäre, wenn es, wie Splitterparteien fordern, keine EU mehr gäbe

 

Foto: Alexander Altmann / pixelio.de
Foto: Alexander Altmann / pixelio.de

Endlich sitzen wir im Flughafenwartebereich und können es selbst kaum glauben. Unsere lang geplante Reise nach Barcelona beginnt tatsächlich, nachdem wir wegen Scherereien mit den Reisepässen und einem plötzlichen Anstieg der Wechselkurse gestern noch gebangt hatten, ob wir fliegen können. Ich freue mich, zumal ich in meiner Klasse die Einzige bin, deren Familie sich einen solchen Urlaub noch leisten kann, nachdem die Kosten für Visa und Geldwechsel so stark gestiegen sind. Das liegt daran, dass meinen Eltern mehrere Landwirtschaftsbetriebe gehören, die kräftig boomen – schließlich gibt es kaum mehr Konkurrenz, nachdem es keine EU-Subventionen mehr gibt und die Kleinbauern, die nicht stark genug waren, alle eingegangen sind. Auch aus dem Ausland kommt nichts – wegen der hohen Zölle lohnt sich der Import landwirtschaftlicher Produkte nicht.

 

Ich blättere durch die ausliegenden Zeitungen auf der Suche nach einem Bericht über die Spannungen an der spanisch-französischen Grenze, finde aber zum Glück nichts – der Urlaub wird sicher. Mein Vater tippt wild auf seinem Handy herum, um noch schnell die Internetverbindung zu kappen. Denn ein solcher Luxus wie Internet im Ausland wäre sogar für ihn zu kostspielig. Bei den horrenden Auslandstarifen würde selbst Bill Gates sein Smartphone abstellen. Die Zeit ohne Internetverbindung wird hart. Dafür freue ich mich auf das Essen.

 

Bevor Deutschland die Einwanderungspolitik verschärft hat, gab es viele Obsthändler, die frische Waren aus ihrer Heimat mitbrachten. Aber das ist lange Vergangenheit. Heute kosten frisches Obst und Gemüse aus dem Süden ein Vermögen, es gibt es nur in teuren Warenhäusern, die sich den kostspieligen Import leisten können. In Spanien soll es viel frisches Obst und Gemüse zu unsagbar niedrigen Preisen geben, sodass es dort wohl ganz normal ist, öfter als einmal monatlich Orangen zu essen.

 

Ich übe mit einem Wörterbuch einige spanische Vokabeln und merke, dass mir die Sprache gefällt. Schade, dass man fast nirgends Spanisch oder Französisch lernt – aber warum auch, studieren in diesen Ländern kann man nicht, geschweige denn, eine Arbeitserlaubnis bekommen. Undenkbar.

 

Von Josephine Valeske, 17 Jahre

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Kategorien Politik Welt

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