Fridays for Future
Viele Jugendliche wollen politisch mitmischen und sich einbringen – aber nicht in einer Partei.
Interview

Statt Partei: Warum sich Jugendliche lieber in NGOs politisch engagieren

In der deutschen Parteienlandschaft sind junge Menschen enorm unterrepräsentiert. Jedoch engagiert sich knapp die Hälfte der unter 30-Jährigen in sozialen Vereinen oder Nichtregierungsorganisationen. Wie das zusammenpasst, darüber sprechen Josephine (24, Greenpeace-Mitglied), Pascalis (22, Junge Liberale) und Conrad (16, Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken).

In Deutschland engagiert sich fast die Hälfte aller jungen Menschen unter 30 Jahren ehrenamtlich in sozialen oder politischen Vereinen und Projekten. Was ist eure Motivation für euer politisches Engagement in nicht-Regierungsorganisationen?

Josephine: Mitglied einer Partei oder in einer NGO zu sein – das stellen für mich zwei unterschiedliche Formen des Engagements dar. Die Ausdrucksmöglichkeiten, die eine NGO hat, entsprechen zurzeit eher meinen Vorstellungen, effektiv für meine Interessen einzutreten. Seit Oktober vergangenen Jahres bin ich Mitglied von Greenpeace, denn ich wollte mich für Umweltthemen engagieren und Aktionen unterstützen, die auf den Zustand unserer Erde Aufmerksam machen. Wobei ich jedoch nicht ausschließe, dass sich das irgendwann ändern könnte. Zurzeit ist es angenehm, sich in einem Kollektiv zu befinden, das über einen breiteren Konsens verfügt als ich diesen in einer Partei mit einem erheblichen Generationsunterschied vorzufinden glaube. Dadurch können Aktionen schneller umgesetzt und Forderungen präziser formuliert werden. Es ist unerlässlich, dass die Umwelt verteidigt wird und die Probleme, die wir haben und die auf uns zukommen werden, nicht aus dem Bewusstsein der Menschen verschwinden. Zwar reicht es nicht, wenn nur Individuen handeln, aber es ist ebenfalls ein entscheidender Schritt. Der Spielraum in einer NGO für kreative Aktionen ist wesentlich größer als in Parteien – Grenzen können überschritten werden, wenn dies für notwendig erachtet wird.

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Conrad: Ich wurde quasi da hineingeboren. Seit seit 16 Jahren bin ich Mitglied bei der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken. Durch die Arbeit mit Kindern habe ich das Gefühl, etwas richtig zu machen. Mir ist es wichtig anderen zu helfen, die es vielleicht selber nicht können.

Pascalis: Seit der letzten Bundestagswahl bin ich Mitglied der Jungen Liberalen (Anm. d. Red.: außerparteiische, politische Jugendorganisation der FDP). Es störte mich, dass unsere Generation so extrem unpolitisch ist. Auch in der Schule basierten Diskussion nur auf Gefühlen anstatt auf Fakten. Bereits während der Brandenburger Landtagswahlen 2014 bin ich durch den Wahl-O-Maten auf die FDP gestoßen, mit der ich überraschenderweise die größte Übereinstimmung hatte. Danach habe ich auch durch den Unterricht mit den anderen Parteiprogrammen auseinandergesetzt und bin schließlich den Jungen Liberalen beigetreten.

Warum nicht gleich Parteimitglied?

Pascalis: Als Mitglied einer politischen Jugendorganisation habe ich im Gegensatz zu Parteimitgliedern noch mehr die Möglichkeit abzuwägen, inwiefern ich einzelnen Standpunkten der Partei zustimme oder nicht. Ich muss nicht hinter jeder Parteientscheidung stehen und kann nach eigenem Ermessen so viel kritisieren, wie ich mag.

In der aktuellen Shell-Jugendstudie gaben 71 Prozent der befragten Jugendlichen an, dass sich die Politiker nicht um sie kümmern würden. Wie seht ihr das?

Josephine engagiert sich bei Greenpeace.

Josephine: Es ist gut, dass die Klimakrise inzwischen Bestandteil politischer Diskurse ist, aber Maßnahmen gegen die Krise werden kaum oder gar nicht ergriffen. Ich fühle mich bezüglich dieses Themas also durchaus gehört, aber es wird entschieden zu wenig darauf reagiert. Natürlich trage auch ich Verantwortung, aber es sind die Politiker, die verbindliche Entscheidungen für eine Gesamtheit treffen können.

Conrad: Das Gefühl, dass die Politik nicht das tut, was sie laut ihrer Wähler tun sollte, kann ich nachvollziehen. Man denke da zum Beispiel an die Abstimmung über die Geschwindigkeitsbeschränkung auf deutschen Autobahnen. Die Mehrheit der Bevölkerung war laut mehrerer Umfragen in Deutschland dafür. Die Abstimmenden im Bundestag waren allerdings deutlich gegen ein Tempolimit. Dass sich die Menschen durch ihre Vertreter hier nicht mehr repräsentiert fühlen, kann ich absolut nachvollziehen.

Pascalis ist bei den Jungen Liberalen.

Pascalis: Dem würde ich entgegenhalten, dass ich mich daran störe, dass sich nicht genügend Menschen politisch informieren. Gerade unserer Generation und den angesprochenen 71 Prozent aus der Umfrage würde ich vorwerfen, gar nicht zu wissen, wofür welche Partei in welchem Punkt wirklich steht. Dann ist es leicht zu sagen, man fühle sich nicht repräsentiert. Politik ist etwas, dass in Deutschland demokratisch organisiert ist und davon lebt, dass wir uns einbringen. Natürlich müssen die Politiker die Bevölkerung in der Diskussion irgendwo abholen, aber ich sehe vor allem uns alle in der Pflicht, mitzudiskutieren und sich zu engagieren – besonders wenn man die eigene Meinung unterrepräsentiert sieht.

Das durchschnittliche Parteimitglied in Deutschland ist 60 Jahre alt. Ist die altersbedingte Unterrepräsentation schuld an der geringen Beteiligung junger Menschen in der Politik?

Conrad ist schon seit seiner Geburt Mitglied bei der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken.

Conrad: Generell müsste es für mich erst mal eine Partei geben, durch deren Wahlprogramm ich mich repräsentiert fühle, um beizutreten. Außerdem müsste die Partei die direkte Einflussnahme ermöglichen. Derzeit sind Parteiabläufe zu bürokratisch und analog. Sie sollten einfacher und digital sein. Ich möchte nicht nur alle drei Wochen diskutieren können, sondern würde auch gerne digital kommunizieren.

Pascalis: Auch ich sehe in der Digitalisierung innerhalb der parteilichen Strukturen den größten Anreiz, Parteien attraktiver für junge Menschen zu machen.

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Wenn ich, 22, eine Top 5-Liste mit Sätzen, die ich in den vergangenen drei Jahren am häufigsten gehört habe, aufstellen würde, wäre „Was wird man denn so nach einem Geschichtsstudium?“ ganz weit oben vertreten. Zum Glück habe ich mittlerweile eine Antwort darauf gefunden: Journalistin. Darauf gekommen bin ich durch das Lesen von Harald Martensteins Artikeln, der selber Geschichte studiert hat. Von ihm habe ich auch meinen neuen Zukunftsplan: einfach immer schreiben. Genau das mache ich jetzt hier bei Spreewild, nachdem mir mein Praktikum in der Jugendredaktion so gut gefallen hat.