Foto: Hannes Caspar

Elif Demirezer fragt: „Was würdet ihr am Schul­system ändern?“

Prominente müssen der Presse ständig Tausende Fragen beantworten. Die Jugendredaktion dreht den Spieß um: Wir geben den Prominenten Antworten – auf alle Fragen dieser Welt.

Elif fragt: „Wenn ihr etwas am Schul­system ändern könntet, was wäre das?“

Elif Demirezer ist Berliner Musikerin und Songschreiberin. Foto: Hannes Caspar
Elif Demirezer ist Berliner Musikerin und Songschreiberin.
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Die Jugendredaktion antwortet: Liebe Elif, seit mehr als zwei Jahren genieße ich das Privileg, Studentin zu sein. Meinen Stundenplan habe ich mir am Anfang des Semesters selbst zusammengestellt. Tanzkurs am Mittwochvormittag? Kein Problem. Am Freitag schon mittags den frühen Zug nach Hause nehmen? Kann man mal machen. Wenn ich dann zu Hause ankomme, meine Taschen aufs Bett schmeiße und bereit bin, meine Familie mit den neuesten Anekdoten aus der Großstadtwildnis zu bespaßen, erwartete mich in jüngster Zeit oft eine traurige Überraschung: Von meinen Geschwistern, die mich noch vor einem Jahr am Treppenabsatz empfingen und mit neugierigen Fragen bestürmten, ist nirgends auch nur ein Löckchen zu sehen. Stattdessen sitzen sie in ihren Zimmern und lernen. Am Freitag, am Sonnabend, am Sonntag. Sie sind jetzt in der zehnten Klasse und steuern mit vollem Tempo auf die Oberstufe zu. Dass die große Schwester nach Aufmerksamkeit heischend mit den Füßen scharrt, geht in einem einstimmigen Gemurmel über Fotosynthese, binomische Formeln und Unabhängigkeitskriege unter.

Seit sich durch die G8-Reform die Schulzeit an Gymnasien von neun auf acht Jahre verkürzt hat, sehen viele Oberstufenschüler kein Land mehr. Hilflos strampeln sie im gewaltigen Ozean des Unterrichtsstoffes, der früher in drei Jahren bewältigt werden konnte. Zeit für Hobbys, Freunde und Erholung bleibt kaum. Wer sein Abi mit maximalem Erfolg bestehen will, muss auf Freizeit verzichten. Schneller, jünger, besser müssen sie sein, die Turbo-Abiturienten von heute. Bei all dem Lern- und Leistungsdruck ist es nicht verwunderlich, dass der Spaß oft auf der Strecke und von all dem Fast-Food-Wissen wenig wirklich hängen bleibt. Das finde ich wahnsinnig schade. Bloß fix fertig werden, mahnt das Gespenst des lückenlosen Lebenslaufs, das durch manch qualmenden Kopf spukt. Zum Glück bin ich als Studentin frei von diesem Drang zur Selbstoptimierung! Meinen Tanzkurs habe ich übrigens gecancelt. Ich muss ja schließlich an die Regelstudienzeit denken.

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Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.