„Niemand muss Angst vor Flüchtlingen haben“

Walid Chahrour (54) ist Mitglied des Flüchtlingsrates Berlin. Foto: hiergeblieben.net
Walid Chahrour (54) ist Mitglied des Flüchtlingsrates Berlin. Foto: hiergeblieben.net

Der Leiter des Betreuungs- und Beratungszentrums für junge Flüchtlinge über das Asylheim in Hellersdorf

 

Seit Wochen sorgt das Asylheim, das vor wenigen Wochen in Hellersdorf eröffnet wurde, für Aufsehen. Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Syrien und Afghanistan sind dort untergebracht. Anwohner protestieren dagegen, sie wollen die Fremden nicht in ihrem Viertel haben. Rechtsextreme versuchen das für sich zu nutzen. Auf der anderen Seite stehen viele Menschen, die die Asylanten unterstützen. Walid Chahrour ist Leiter des Betreuungs- und Beratungszentrums für junge Flüchtlinge und Migranten und Mitglied des Arbeitskreises Junge Flüchtlinge.

 

Herr Chahrour, mit welchen Problemen haben die minderjährigen Flüchtlinge zu kämpfen, die nach Deutschland kommen?

 

Es gibt viele Probleme. Auf gesellschaftlicher Ebene sind viele Menschen immer noch nicht bereit, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Es existiert eine Atmosphäre der Ausgrenzung. In Berlin ist eines von vielen Problemen, dass jugendliche Flüchtlinge oft monatelang warten müssen, um einen Schulplatz zu bekommen. Dabei gilt die Schulpflicht theoretisch auch für Flüchtlinge. Und die Schule ist enorm wichtig, weil dort Kontakte zwischen Jugendlichen zustande kommen. Sie bringt Sicherheit und Stabilität in ihr Leben.

 

Wie sieht Ihre Arbeit aus?

 

Als ein Teil des Flüchtlingsrates Berlin setzt sich unser Arbeitskreis für die Belange junger Flüchtlinge ein. Wir wollen erreichen, dass die Einhaltung der Schulpflicht auch bei Flüchtlingen durchgesetzt wird, dass sie studieren oder eine Ausbildung machen dürfen. Probleme gibt es auch bei der Altersfeststellung oder bei der Frage der Vormundschaften.

 

Aus Hellersdorf hört man immer wieder, dass viele Anwohner verunsichert und mit der Situation überfordert sind. Was kann dagegen getan werden?

 

 

Ich kann mir diese Unsicherheit nicht erklären. Ich glaube, sie wird als Grund vorgeschoben, um die eigenen Vorurteile zu kaschieren. Deutsche machen überall auf der Welt Urlaub, sind sie da etwa auch unsicher? Niemand hier muss Angst vor den Flüchtlingen haben. Etwa vierzig Prozent der Gesamtzahl der eingereisten Flüchtlinge sind Kinder und minderjährige Jugendliche und nach meiner Auffassung keine Bedrohung für irgendwen.

 

Wie können Jugendliche aus Deutschland helfen?

 

Sie können sich ehrenamtlich engagieren. Vor allem aber sollten sie niemanden ausgrenzen, sondern als Brücke zwischen Flüchtlingen und Erwachsenen mit Vorbehalten fungieren. Oft reicht es schon, den Flüchtlingen, wenn sie beispielsweise in derselben Klasse sind, Kommunikationsmöglichkeiten zu bieten und sie einzubinden. Die Erfahrungen zeigen, dass man solche Treffen nicht organisieren kann, sie entstehen einfach. Vor allem aber sollten sie darüber nachdenken, was die Fluchtursachen sind, warum Menschen flüchten – weil es uns gut geht, auf ihre Kosten. Das ist zumindest meine Meinung.

 

Zeichnet sich denn eine Verbesserung der Situation ab?

 

Es gibt eine Verbesserung im Umgang mit Migranten und Flüchtlingen.  Das Thema ist in einem Teil der Gesellschaft angekommen, den anderen Teil müssen wir versuchen, gemeinsam zu erreichen, um unser  Leben besser zu gestalten.

 

Das Gespräch führte 
Josephine Valeske, 17 Jahre.

 

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