„Putschen, mal sehen wie“

Sieht eigentlich ganz friedlich aus. Im 26A entstehen revolutionäre Gedanken. (Foto: Raufeld/Dottschadis)

In der Türkei suchen Jugendliche nach Alternativen zum kapitalistischen Staat


von Mareike Dottschadis, 19 Jahre



ISTANBUL. Am Taxim, dem Kudamm Istanbuls, gibt es nur zwei Cafés, die keine Coca Cola-Produkte verkaufen: Starbucks und das 26A. Aber im Gegensatz zu Starbucks ist das 26A ein Lokal, das gegen den Kapitalismus arbeitet. Wenn man die Jugendlichen, die hier ihre Freizeit verbringen, nach ihren Zielen fragt, dann sagen sie, dass sie putschen wollen. Gegen den türkischen Staat. Sie wissen nur noch nicht wie.


„Es geht darum, junge Antikapitalisten zusammenzubringen und zu diskutieren“, sagt Deniz, die vor Kurzem die Schule beendet hat. Ihr dunkles Haar trägt sie unverhüllt, Tücher findet man hier nur an den Wänden neben satirischen Collagen. Darauf sind magere Kinder zwischen Burgern und Coladosen abgebildet.


Das Café hatten die Jugendlichen zuerst auf den Namen „Potelach“ getauft, nach einem indianischen Fest, bei dem der Häuptling all seinen Besitz verschenkt, erzählt Özgür, der hier arbeitet, obwohl er noch zur Schule geht. Allerdings habe sich mit der Zeit die Hausnummer als Name durchgesetzt. Auf die Frage, warum er nicht in der Schule sei, zuckt der 18-Jährige die Schultern. Auf Deutsch bedeutet sein Name „frei“.


Unterstützt wird das 26A von Gleichgesinnten aus aller Welt, ansonsten finanziert es sich über den Verkauf. „Zuschüsse vom Staat würden wir niemals annehmen“, sagt David. Der 24-Jährige ist der einzige mit Uniabschluss, „weil das Café einen Anwalt brauchte“. Denn unter den Gästen seien auch unerwünschte Besucher. Seit sie zwei kurdischen Jugendlichen geholfen hätten, die von Polizisten zusammengeschlagen wurden, bestrafe man sie regelmäßig, erzählt Deniz. Inzwischen müssten sie Bußgelder im Wert von zwei Jahresmieten zahlen. Wie sie das machen wollen? Deniz lacht: „Gar nicht. Wir und der Staat – das klappt nicht sehr gut.“ Gewalt lehnen sie aber ab: „Für uns heißt Anarchie nicht Chaos brüllen und Scheiben einschlagen. Wir wollen nur unsere Freiheiten einfordern – auf friedliche Art.“



Jugendreporterin Mareike war im Rahmen eines Jugendaustauschs des Vereins Bürger Europas e.V. und des Auswärtigen Amtes in der Türkei. Mehr Artikel rund um das Leben der Jugendlichen dort könnt ihr in ihrem Blog hier auf Spreewild lesen.

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