Mehr Geld? Nein danke

Die Studenten machen vorm Reichstag Theater um einen Gesetzentwurf. Foto: privat

Junge Stipendiaten kritisieren die Einführung einer für sie ungerechten Studienförderung


von Mareike Dottschadis, 19 Jahre


Bafög ist alle. Wir fördern jetzt Elite“, sagt der Staat und schwenkt ein schwarz-rot-goldenes Papierfähnchen. Heute ist Ines der Staat. Sie drückt Boris 300-Euro-Scheine in die Hand, die er sofort sinnvoll einsetzt – als extravagantes Toilettenpapier.


Im Theaterstück der jungen Leute, die sich am 18. Juni vor dem Reichstagsgebäude versammelt haben – Stipendiaten, die das geplante nationale Stipendienprogramm kritisieren – spielt Boris den Studenten mit den Hundertern im Hosenbund. Natürlich begrüßt er das Programm, obwohl er die darin geplanten erhöhten Fördergelder als Sohn wohl-habender Eltern nicht wirklich nötig hätte.


Während die Stipendiaten vor dem Bundestag Theater um den Gesetzentwurf machen, stimmt die Regierung ein paar Meter entfernt dem Gesetzentwurf zur Einführung des nationalen Stipendienprogramms zu. Wird das Gesetz am 9. Juli auch vom Bundesrat akzeptiert, sind die Veränderungen beschlossene Sache: Künftig sollen nach dem Vorbild eines nordrhein-westfälischen Modells bis zu acht Prozent der Studenten an deutschen Hochschulen ein Stipendium von 300 Euro monatlich erhalten. Dabei würden Bund und Länder 150 Euro bereitstellen, die andere Hälfte müsse von den Hochschulen bei privaten Geldgebern eingetrieben werden – ein Vorteil für Unis in strukturstärkeren Gebieten. Bereits 2013 sollen so bundesweit rund 200 000 Stipendien vergeben werden. Dieses Ziel hat sich die schwarz-gelbe Koalition gesetzt.


Laut Bildungsministerin Dr. Annette Schavan (CDU) will die Regierung auf diese Weise junge Leute zur Bildung ermutigen. Dass dies dringend notwendig ist, zeigte eine Studie der HIS Hochschul-Informations-System GmbH, nach der über drei Viertel aller Abiturienten aus Geldgründen nicht studieren. Allerdings soll die finanzielle Ermutigung einkommensunabhängig vergeben werden – im Gegensatz zum Bafög und bereits bestehenden Stipendienprogrammen. „Damit geht die Förderung an denjenigen vorbei, die es wirklich brauchen“, sagt Jonas Schemmel, ein Mitorganisator der Studenteninitiative. In Nordrhein-Westfalen habe sich gezeigt, dass größtenteils wohlhabende Studenten profitieren.


Das Gesetz sieht für Geförderte auch eine Erhöhung des Büchergeldes um 220 Euro vor. Das sei „viel zu übertrieben“, kritisieren die Stipendiaten. „Wir wollen niemandem das Geld wegnehmen“, stellt Jonas klar, „aber es soll sinnvoll eingesetzt werden. Deshalb hoffen wir, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht verabschiedet wird.“ Auf ihren Flyern fordern die Stipendiaten stattdessen eine weitere Erhöhung des Bafög. Damit bestätigen sie Kai Gehring, Sprecher für Hochschulfragen bei den Grünen. Laut Gehring ließe sich mit den Mitteln, die man momentan in diesen „Stipendienmurks“ investiere, das Bafög sofort um zehn Prozent erhöhen. Die Studenten sind sich indes sicher, dass es nur ein einziges gerechtes Schlüsselkriterium für die Vergabe von Fördergeldern gibt. Ines alias der deutsche Staat verkündet es vor dem Reichstagsgebäude lauthals den Umstehenden: Leistung.


Mehr Infos zur Kritik der Stipendiaten: www.stipendienkritik.de

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