Foto: GREGOR ZIELKE

Endlich wieder Kind sein

Clowns vom Verein Rote Nase wollen Freude in Flüchtlings­heime bringen. Wir haben das Pilotprojekt besucht

Mit ihrem Politprojekt „Rote Nasen besuchen Asylbewerber“ will der Verein geflohenen Kindern und Jugendlichen dabei helfen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten und neue Hoffnung zu schöpfen. Foto: Gregor Zielke
Mit ihrem Politprojekt „Rote Nasen besuchen Asylbewerber“ will der Verein geflohenen Kindern und Jugendlichen dabei helfen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten und neue Hoffnung zu schöpfen. Foto: Gregor Zielke

„Wer möchte der Tiger sein?“, fragt Marion Pletz und hält gemusterte Ohren aus Plüsch in die Luft. Sofort springen rund 15 Kinder auf. Ein Junge ist schließlich der Glück­liche und darf mit den Ohren auf dem Kopf durch einen Hula-Hoop-Reifen springen. Eigentlich üben die Kinder hier für eine Aufführung, aber die scheint in diesem Augen­blick neben­säch­lich zu sein. Vor allem sollen sie Spaß haben, toben, Kind sein dürfen.

Dafür kommen Marion und ihr Kollege Matthew Burton jeden Mittwoch nach Lichten­rade ins Flüchtlings­heim und veranstalten Work­shops. Die beiden sind Clowns vom Verein Rote Nasen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, überall dort Trost und Zuversicht zu spenden, wo Menschen leiden. Besonders bekannt sind sie für ihre Besuche in Krankenhäusern und Senio­ren­einrichtungen. Die auf zwei Monate ausgelegten Workshops in Flücht­lings­­unterkünften gehören zu dem Programm „Emergency Smile“, das seit 2014 von der Europäischen Union gefördert wird. Am Ende des Kurses dürfen sie in einer Aufführung zeigen, was sie gelernt haben. Das Projekt wird neben der EU auch vom Deutschen Kinderhilfswerk, „Clowns helfen“ und „Menschen helfen“ unterstützt.

Marion Pletz alias Clown Antonia arbeitet als Clown für den Verein Rote Nasen. Foto: Markus Pletz
Marion Pletz alias Clown Antonia arbeitet als Clown für den Verein Rote Nasen. Foto: Markus Pletz
Matthew Burton stammt aus Australien und ist ausgebildeter Clown. Foto: Markus Pletz
Matthew Burton stammt aus Australien und ist ausgebildeter Clown. Foto: Markus Pletz

Die meisten der Kinder stammen aus Syrien und dem Kosovo. Aber auch deutsche Klassenkameraden und Nachbars­kinder dürfen mit­machen. Denn neben lustigen Show­einlagen, Musik, Jonglage und Akrobatik geht es auch darum, die Begegnung zu fördern und ein tolerantes, respektvolles Mit­einander zu vermitteln. Jeder soll seinen Platz finden und sich sicher fühlen. Dazu braucht es klare Regeln. Schlagen ist tabu, genauso das Mitbringen von Spiel­zeugwaffen. Außerdem ist immer eine Sozial­arbeiterin vor Ort, um die Rasselbande im Zaum zu halten. Das gehörte zu den Bedingungen von Rote Nasen.

Neben der Einrichtung in Lichtenrade besuchen die Clowns noch eine Unterkunft in Pots­dam. Matthew und Marion sind fest über­zeugt, dass das Projekt in den nächs­ten Jahren noch wachsen und sich weiter­entwickeln wird. „Die Aufgabe ist klar, sowohl in Deutsch­land als auch international“, meint Matthew, der gerade zum Projekt­leiter für die Rote-Nasen-Flücht­lingsprojekte ernannt wurde. In Lichtenrade sind die Clowns schon jetzt ein High­light. Die Kinder würden sie am liebsten gar nicht mehr gehen lassen. Auch außer­halb der Work­shops üben sie ihre Kunst­stücke. Matthew und Marion freuen sich über diese Energie. Sie sehen ihre Aufgabe darin, bei den Ankömmlingen ein Bewusst­sein für Interessen und Neigungen zu schaffen. Eine Therapie sollen die Work­shops aber nicht ersetzen. „Einige der Kinder sind sicher schwer traumatisiert“, erklärt Marion. Wir wollen ihnen zeigen, dass es noch so viel Schönes auf der Welt gibt.“ Über die Vergangenheit ihrer jungen Teilnehmer sprechen sie deshalb kaum. „Es geht darum, etwas für den Moment zu schaffen“, erklärt Matthew.

Friederike Deichsler, 19 Jahre

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Kategorien Flüchtlinge Gesellschaft Politik Zwischendurch

„Wenn Sie Journalistin werden wollen, sind Sie in diesem Studiengang falsch“, hörte ich im ersten Semester nicht nur einmal. Trotzdem habe ich mittlerweile, mit 22, meinen Abschluss – und arbeite stetig daran, den Zweiflern das Gegenteil zu beweisen. Denn das Schreiben lasse ich mir nicht mehr wegnehmen. Es ersetzt für mich rauschzustandsauslösende Substanzen, es ist mein Ventil, wenn die Gedanken zu laut schreien und kein Platz für ekstatisches Tanzen ist. Schreiben kann ich über all das, wonach niemand fragt, was im Gespräch niemand von mir wissen will. Am spannendsten ist aber, anderen Menschen zuzuhören und ihre Geschichte zu erzählen.