Fußballspieler in weißroten Trickots salutieren
Eine kleine Geste mit großer Bedeutung: Die türkische Nationalmannschaft bei ihrem Statement für den Krieg in Rojava.
Klartext

Der Militärgruß der türkischen Fußballnationalmannschaft ist geschmacklos

Erneut salutierten Spieler der türkischen Fußballnationalmannschaft nach dem Tor. Damit zeigen sie ihre Unterstützung für die Militäroffensive in Nordsyrien. Nationalstolz hat unsere Autorin noch nie verstanden. Und macht diesen dafür verantwortlich, dass die Spieler den Jubel über Torschüsse mit echten Schüssen verbinden.

Von Selly Häußler, 28 Jahre

Nationalstolz habe ich noch nie verstanden. „Wir“ haben nicht gewonnen, sondern die Fußballmannschaft auf dem Feld – aber okay, mal dir von mir aus kleine Flaggen auf die Wangen, wenn es dir damit besser geht. Wann mein Unverständnis in Wut umschlägt, zeigte sich am Montag: Wenn Fußballspieler salutieren, um öffentlich zu zeigen, dass sie eine Militäroffensive unterstützen. Und Fans das in den sozialen Medien auch noch begrüßen.

Der militärische Gruß einiger türkischer Nationalspieler nach dem 1:1 Ausgleich im Spiel gegen Frankreich galt den türkischen Soldaten, die in Nordsyrien kämpfen. Der Torschütze Kaan Ayhan selbst hat nicht mitgemacht. Der Sportvorstand seines Vereins „Fortuna Düsseldorf“ hatte zuvor erklärt, dass sich der Klub von jeglichen politischen Handlungen distanziere. Schon nach dem Salut-Jubel am Freitag, beim Sieg gegen Albanien, hat die UEFA angekündigt ein Verfahren gegen den türkischen Verband einzuleiten. Hier hatte nach dem Spiel die gesamte Mannschaft inklusive Trainerstab die Hand an die Stirn gehalten.

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Angriffskriege sind völkerrechtswidrig und der Einmarsch in Rojava war nicht ausreichend gerechtfertigt. Deshalb wird er international scharf kritisiert. Ganz abgesehen davon, warum unterstützen die Spieler öffentlich, dass Menschen sterben? Selbst wenn die Türkei angegriffen worden wäre – die Freude über einen Torschuss mit echten Schüssen in Verbindung zu bringen ist geschmacklos.

„Yeah! Auf dass die türkischen Soldaten die Kugeln so treffsicher in den Körpern versenken, wie wir die Bälle im Tor.“ Die Fußballer siegen auf dem Spielfeld für ihr Land und wollen scheinbar, dass die Soldaten es ihnen auf dem Schlachtfeld gleich tun. Krieg ist nie ein Grund zur Freude, auch wenn das eigene Land siegt.

Haben die Spieler sich wirklich Gedanken gemacht, was für eine Botschaft sie damit vertreten?

Die deutschen Nationalspieler Gündogan und Can haben ihre Likes des Salut-Fotos von Freitag zurück genommen. St. Pauli hat seinen Stürmer Cenk Sahin nach einem Instagram-Post freigestellt. Er schrieb: „Wir sind an der Seite unseres heldenhaften Militärs und der Armeen. Unsere Gebete sind mit euch!“ Vielleicht hoffen die Fußballspieler, dass „ihre“ Soldaten nicht verletzt werden. Wollen zeigen, dass sie mitfühlen und bedanken sich, dass sie selbst ihr Leben nicht aufs Spiel setzen müssen. Aber wo ist die Empathie gegenüber den Opfern auf kurdischer Seite?

Was sie mit dieser kleinen Geste eigentlich sagen ist: „Juhu, wir sind dabei Kurden zu töten. Die sind sowieso doof. Wir Türken sind viel besser.“ Und das wollen sie bestimmt nicht… oder doch?

Die klare Grenze zwischen „uns“ und den „Anderen“, die der Patriotismus zieht, steht im Fußball vielleicht noch für leidenschaftliches Wetteifern. Er wird aber seit jeher benutzt, um zu unterdrücken, auszubeuten und zu töten. Und um Menschen dafür zu instrumentalisieren. Menschen, die nicht weiter denken. So wie die Spieler.

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