Feminismus-Power-Symbol
Die Jusos fordern feministische Pornofilme als Pilotprojekt.
Interview

Jusos-Landesvorsitzende Annika Klose: „Es geht darum, Sexualität auf Augenhöhe zu vermitteln“

Der Antrag der Berliner Jusos zum SPD-Landesparteitag, feministische Pornos über die Mediatheken der Öffentliche-Rechtliche öffentlich zugänglich zu machen, schlug hohe Wellen. Schmuddelfilme von Steuergeldern?

Jusos-Landesvorsitzende Annika Klose stellt klar, was an dieser Vereinfachung nicht stimmt, welches Anliegen dahintersteckt und warum offen über Pornos gesprochen werden muss.

Euer Antrag wurde beim SPD-Landesparteitag gar nicht diskutiert sondern nur an die Arbeitskreise Gesundheit, Bildung und Kultur verwiesen. Wie ist eure Reaktion darauf?
Wir hätten uns natürlich schon gewünscht, dass er beschlossen wird. Es zeichnete sich aber schon ab, dass es zu viele Unklarheiten gab und der Wunsch bestand, das weiter zu diskutieren. Aber es ist natürlich schade, dass der Landesparteitag zu Ende war, bevor der Antrag überhaupt aufgerufen wurde, weil sich andere Debatten hingezogen hatten.

„Es geht uns darum, ein Pilotprojekt zu starten und diverse Filme erst einmal zugänglich zu machen.“

Was hättet ihr in der Diskussion gern angebracht?
Uns wäre es wichtig gewesen, noch einmal zu begründen, warum der Antrag wichtig ist. Wir haben ja ein ernsthaftes Anliegen. Es geht uns um Sexualaufklärung und darum, Sexualität auf Augenhöhe zu vermitteln. Offenbar ist es schwierig, darüber mit einer gewissen Ernsthaftigkeit zu diskutieren und die tatsächliche Forderung zu verstehen. Es geht uns darum, ein Pilotprojekt zu starten und diverse Filme erst einmal zugänglich zu machen.

Die Berichterstattung zu eurem Antrag war nicht nur positiv. Es hieß mehr oder weniger: Es gibt so viele wichtige, diskussionswürdige Themen und die Jusos interessieren sich (nur) für Pornos. Fühlt ihr euch missverstanden?
Diese Aussage ist einfach unfair. Wir haben mehr als 30 Anträge zu ganz unterschiedlichen Themen eingereicht, das ging von Pflege über sichere Fluchtrouten zu Arbeitsmarktpolitik. Auch wir sagen nicht, dass das ein Top-Thema ist, das sofort auf den Tisch muss, sondern sehen das eher perspektivisch. Dieser Antrag ist nicht unsere Antwort auf die Aussage: „Die SPD muss sich neu aufstellen.“

Aber warum habt ihr den Antrag denn gerade jetzt gestellt?
Zwei unserer Kreisverbände haben eine Sitzung dazu abgehalten. Aufhänger war eine Studie, in der Jugendliche dazu befragt wurden, was für sie guten Geschlechtsverkehr ausmacht. Unter den jungen Frauen wurden vor allem zwei Antworten genannt: Dass der Partner kommt und dass es ihnen nicht wehgetan hat. Das warf die Frage auf: Wie kann es sein, dass die weibliche Lust so im Hintergrund steht? Wir haben uns dann damit auseinandergesetzt und eine Referentin eingeladen. Es stellte sich heraus, dass pornografische Inhalte extrem niedrigschwellig auch für junge Nutzer zugänglich sind. Das sind dann aber meistens Hardcore-Pornos oder zumindest solche, die auf die männliche Perspektive konzentriert sind. Das fanden wir sehr bedenklich. Wir sind ja ein Jugendverband und unser Ziel ist es, dass Menschen frei und aufgeklärt leben können.

Für einen anderen Artikel sprachen wir vor kurzem mit Sexualpädagogen. Sie sagten, es sei schwierig, mit Jugendlichen über Sexualität und Pornografie zu sprechen, weil vieles nach dem Jugendschutzgesetz nicht erlaubt ist. Ihr fordert auch, die Altersgrenze für Pornografie zu überdenken. Welche Gedanken stehen dahinter?
Wenn das Ziel sein soll, dass Jugendliche auch beim Konsum von Pornografie Inhalte finden können, die divers sind und ein reales Bild von Sexualität zeigen, wenn man ein Angebot machen will, das auch genutzt werden soll, dann muss es verfügbar sein. Sonst werden Jugendliche weiter das niedrigschwellig verfügbare Material konsumieren, das sie schon finden und wo die Altersgrenze zwar auch gilt, aber offenbar nicht wirkt.

„Nur weil es nicht thematisiert wird, heißt es ja nicht, dass es nicht passiert.“

Schon Minderjährige sehen Pornos, aber laut einer Studie der Universitäten Münster und Hohenheim sind rund 50 Prozent ungewollt darauf gestoßen. Sind dann Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender der richtige Ort dafür?
Mit diesen Fragestellungen muss man sich natürlich auseinandersetzen. Erste Ideen sind zum Beispiel entsprechende Warnungen oder Meldungen, die man noch bestätigen muss. Bisher haben wir ja nur Vorschläge gemacht und die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender ist einer davon. Wir stellen uns nicht vor, dass die Pornos dann einfach neben dem anderen Material stehen.

Wenn schon Minderjährige Pornos sehen, wie zeitgemäß ist dann der Sexualkundeunterricht in der Schule noch? Muss er anders gestaltet werden?
Unser Vorschlag ist nicht, dass angefangen werden soll, Pornos im Unterricht zu gucken, sondern dass die Lehrer wissen, auf welches Material sie verweisen können. Das Interesse ist ja offensichtlich da. Wir wollen, dass aufgeklärt und offen damit umgegangen wird. Nur weil es nicht thematisiert wird, heißt es ja nicht, dass es nicht passiert. Es geht darum, ein Stück weit Einfluss zu nehmen und wenn man nicht darüber spricht, kann man auch keinen Einfluss nehmen.

Wie geht es jetzt weiter?
Wir werden erst einmal Kontakt zu den Arbeitskreisen aufnehmen und offene Fragen besprechen. Die Diskussion wollen wir auch öffentlich zugänglich machen, sodass sich jeder, der sich dafür interessiert, beteiligen kann. Wir hoffen, am Ende einen Vorschlag machen zu können, der für alle annehmbar ist. Ich habe schon mitgekommen, dass großes Interesse besteht. Nach einem ersten Schmunzeln habe viele gesagt: Ja, ihr habt da schon einen Punkt.

Foto: Michele Paccione – stock.adobe.com

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„Wenn Sie Journalistin werden wollen, sind Sie in diesem Studiengang falsch“, hörte ich im ersten Semester nicht nur einmal. Trotzdem habe ich mittlerweile, mit 22, meinen Abschluss – und arbeite stetig daran, den Zweiflern das Gegenteil zu beweisen. Denn das Schreiben lasse ich mir nicht mehr wegnehmen. Es ersetzt für mich rauschzustandsauslösende Substanzen, es ist mein Ventil, wenn die Gedanken zu laut schreien und kein Platz für ekstatisches Tanzen ist. Schreiben kann ich über all das, wonach niemand fragt, was im Gespräch niemand von mir wissen will. Am spannendsten ist aber, anderen Menschen zuzuhören und ihre Geschichte zu erzählen.