In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli versuchten Teile des türkischen Militärs, ihren Staatspräsidenten aus dem Amt zu putschen – erfolglos. Erdogan ordnete daraufhin die „radikale Säuberung“ des Staates an. Mehrere 1 000 Richter, Soldaten und Journalisten, Lehrer und Akademiker wurden festgenommen oder suspendiert und über 2 000 Schulen geschlossen. Ein Satz Erdogans hat sich besonders ins Gedächtnis eingebrannt: „Ich führe die Todesstrafe wieder ein!“ Eine deutliche Warnung an alle, die sich gegen ihn stellen.
Immer häufiger wird Erdogans „Säuberung“ mit Hitlers Reichstagsbrand verglichen. Wie im Jahr 1933 in Deutschland hat auch die türkische Regierung den Notstand ausgerufen. Dadurch ist es Erdogan möglich, weitgehend per Rechtsverordnungen zu regieren. Personen und Wohnungen können durchsucht, Demonstrationen und Medien verboten werden.
Wer jetzt noch abstreitet, Erdogan würde nicht versuchen, die Demokratie abzuschaffen, macht sich lächerlich. Die Freiheit und Individualität, die wir hier ausleben können, wird den Menschen in der Türkei gerade genommen. Das zeigt uns deutlich, wie schnell Demokratie und Menschenrechte ausgehebelt werden können.
Doch sind nicht nur Türken in der Türkei, sondern auch in Deutschland von der Diktatur Erdogans betroffen. Akademiker im Ausland wurden zurückgerufen und ein Ausreiseverbot für Wissenschaftler erlassen. Wer hier geblieben ist, traut sich kaum, Kritik zu äußern. Im eigenen Land kritisches Denken zu unterdrücken, ist das eine. In Deutschland lebenden Türken und Kritikern den Mund verbieten zu wollen, ist das andere. Meinungsfreiheit ist einer der größten Schätze unserer Demokratie. Die Vorkommnisse stillschweigend hinzunehmen kann nicht der richtige Weg sein. Denn auch derjenige, der seine Stimme nicht nutzt, wird trotzdem regiert.
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