Jugendsprache ist kein Grund rumzumoeffen

Gerade ist das Langenscheidt-Jugendwörterbuch erschienen. Woher die Begriffe darin stammen, ist oft unklar

Von Corinne, 18 Jahre

Das Jugendwort Moeff ist im Studio des Radiosenders 98.8 Kiss FM entstanden. Nun steht es in einem Wörterbuch. Foto: Nura El Maghraby, Montage: Raufeld
Das Jugendwort Moeff ist im Studio des Radiosenders 98.8 Kiss FM entstanden. Nun steht es in einem Wörterbuch. Foto: Nura El Maghraby, Montage: Raufeld

Assitempel, Hayvan oder auch Goml – einmal im Jahr schütteln Erwachsene den Kopf, wenn der Langenscheidt-Verlag im Wörterbuch der Jugendsprache die wichtigsten Slang­ausdrücke Jugendlicher für das kommende Jahr veröffentlicht. Das Nachschlagewerk „100 Prozent Jugendsprache 2015“ ist gerade erschienen. Einer der Hauptkritikpunkte zahlreicher Eltern und Lehrer lautet wie jedes Jahr: Die Herkunft vieler Wörter sei ihnen ein völliges Rätsel. Statt aber einfach rumzumoeffen, sollten die Kritiker sich die Mühe machen, die Entstehungsgeschichte der Worte zurückzuverfolgen. Denn natürlich ist das möglich. Das eben verwendete „Moeff“ etwa, wurde sogar in Berlin erdacht.

Ein Moeff ist ein Nörgler und Meckerer. Entstanden ist der Begriff in der Redaktion des Jugendradiosenders 98.8 Kiss FM. Bei den Wetter- und Verkehrsnachrichten beschwerten sich die Sprecher über schlechtes Wetter und Stau. Moderator Moe wollte eigentlich nur, dass sie damit aufhören. Allerdings konnte er sich nicht zwischen „meckern“ und „nörgeln“ entscheiden. „Mir rutschte einfach so etwas wie ‚Moefft nicht so rum‘ heraus“, erzählt er. So war das Jugendwort geboren.

Anfangs war es ein simpler Insider­gag der Mitarbeiter des Senders. Ein paar Mal wurde noch im Programm über den Versprecher gelacht, ansonsten benutzten es vor allem die Moderatoren und Redakteure untereinander. „Irgendwann wurde das Wort aber von einer Praktikantin in ihre WG weitergetragen und auch außerhalb des Senders wurden alle moeffiziert“, berichtet Moe.
Als die Redaktion dies mitbekam, wurde das Wort – zunächst privat und nicht im Namen von 98.8 Kiss FM – als Jugendwort bei Langenscheidt angemeldet, wodurch es in das Rating zum Jugendwort des Jahres aufgenommen wurde. Eine Jury entscheidet jedes Jahr, je nachdem, wie kreativ und wie verbreitet die Begriffe sind, welches Wort Jugendwort des Jahres wird.
Nachdem die Redaktion festgestellt hatte, dass Moeff bereits recht häufig benutzt wurde, verwendeten die Moderatoren es auch in den Sendungen öfter.
Wie populär das Wort ist, wurde getestet, indem man die Hörer zum Live-Moeffen in der Show und auf der 98.8 Kiss FM-Bühne auf der Jugendmesse You aufrief. Der Erfolg war so groß, dass es das Wort letztlich in das Buch „100 Prozent Jugendsprache 2015“ geschafft hat.
Solch eine Erfolgsgeschichte ist weniger unwahrscheinlich, als man denkt. Wissenschaftler schätzen den Einfluss der Medien auf die Sprache heute als sehr hoch ein. Neue Wörter entstehen zudem durch Versprecher wie in diesem Fall. Auch kreative Sprachstile von Jugendlichen spielen eine Rolle. Wichtig ist dabei die Gruppe, in dem der Begriff entsteht. „Punks sprechen anders als Nerds in der Computerszene“, erklärt der Sprachwissenschaftler Nils Bahlo von der Universität Münster dem Sender. Populäre Jugendwörter würden häufig als Insider in Kleingruppen entstehen und sich von dort verbreiten.
Unterschiede zeigen sich aber nicht nur zwischen verschiedenen Gruppen, sondern auch bei den Geschlechtern: „Mädchen gehen häufig sensibler mit der Sprache um als Jungen, besonders bei den Themen Sexualität und Pornografie“, sagt Bahlo. Auch No-Gos gibt es in der Jugendsprache. Zum Beispiel sind Ausdrücke, die die Mutter eines anderen beleidigen, bei vielen Jugendlichen tabu. Die eine Jugendsprache gebe es aber nicht, stellt Nils Bahlo klar. Langenscheidt setze mit den Jugendwörterbüchern eher auf Entertainment als auf die Übersetzung einer Sprache, denn diese unterscheide sich von Gruppe zu Gruppe zu stark.
Auffallend in dem Wörterbuch sind Begriffe, die gehashtagt sind, wie #foodporn und #selfie, oder aus fremden Kulturen stammen. So kommt das Jugendwort des Jahres 2013, „Babo“, aus dem bosnischen Sprachkreis, wo es in etwa „Vater“ bedeutet, während es bei uns eher für „Boss“ steht.

Aber egal, woher das Wort kommt oder wie es entstanden ist, alle Begriffe zeigen, wie kreativ Jugendliche mit Sprache umgehen. Wenn Erwachsene also wieder einmal über die Jugendsprache moeffen, einfach flauschig bleiben.

Das könnte Dich auch interessieren

  • Corinne, 17 Jahre Die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen. Am 22.…

  • Wahlblogger gesucht

    Vor die Wahl gestellt: Rund drei Millionen Deutsche werden bei der Bundestagswahl…

  • Meldung

    Politik: Bis zum 15. November können sich Schüler aus 10. bis 13.…

  • Meldung

    Aufgegeben: Während Bildungsforscher über die Abschaffung von Hausaufgaben in der Schule reden,…

Kategorien Politik

Auf spreewild.de berichten wir über alles, was uns bewegt – über Schule, Politik und Freizeit, Liebesglück und -kummer oder den Schlamassel mit der eigenen Zukunft. Wir bieten Hintergrundgeschichten zu den Artikeln, die wir auf der Jugendseite veröffentlicht haben, stellen Fotos und Videos ins Netz. Dazu gibt es die Fotoserien der Jugendredaktion, Musik-, Buch- und Filmbesprechungen sowie all die Fragen, die uns die Prominenten jede Woche stellen.