Firmen nutzen die Situation junger Menschen aus

Von Corinne, 19 Jahre

Mit dem Beginn des Wintersemesters am heutigen Montag steigt nicht nur die Zahl der neu zugezogenen Studenten in Berlin, sondern auch die Nachfrage nach Minijobs. Das nutzen einige Firmen, um Jugendliche tagelang kostenlos arbeiten zu lassen und sie anschließend zu Hungerlöhnen für 20-Stunden-Wochen zu verpflichten.

Als Abiturient oder angehender Student ist es in Berlin besonders schwer, einen Job zu finden – nicht nur wegen der hohen Anzahl der Mitbewerber, sondern auch, weil die meisten Unternehmen lieber Studenten einstellen.

In Vorstellungsgesprächen werden die Tätigkeiten und Anforderungen angesprochen. Um zu erfahren, zu welchen Konditionen gearbeitet wird, muss man schon nachhaken. Dann werden vage Versprechungen von Löhnen auf 450-Euro-Basis gemacht. Dass der tatsächliche Stundenlohn nur bei fünf bis sechs Euro liegt , erfahren viele Jugendliche erst mit dem Arbeitsvertrag, nachdem sie bereits zwei Tage ohne Lohn eingearbeitet wurden. Tückisch daran: Unterschreiben sie den Vertrag, schließen sie sich selbst vom Mindestlohn aus, der bald kommt.

Aber auch diejenigen, die das wissen, haben davon häufig nichts. Denn trotz allem müssen sie Wohnung und Lebensunterhalt bestreiten. Die Folge: Sie willigen wider besseres Wissen in die Verträge ein.

Als angehende Studentin, die nun ins erste Semester kommt, habe ich bereits Erfahrungen mit derartigen Verträgen und Probearbeitstagen gemacht. In der Regel ist so gut wie jeder Arbeitnehmer im ersten halben Jahr der Beschäftigung in einer Probezeit. Das heißt, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Beschäftigte in einer Frist von zwei Wochen kündigen können. Einzelne Probearbeitstage erübrigen sich damit eigentlich. Und wenn es sie doch gibt, dann sollten sie bezahlt sein. Manche Firmen missbrauchen sie aber, um bezahlte Arbeitskräfte zu sparen. Denn um die Kompetenzen der Jobanwärter zu prüfen, sind ein oder zwei Tage eigentlich sowieso zu kurz.

Als Schüler oder Student, der auf eigenes Geld angewiesen ist, bleibt vielen in Berlin nur der Bafög-Antrag. Studenten können Studienkredite aufnehmen. Sowohl das eine als auch das andere muss zurückgezahlt werden. Meine Alternative ist eine Kombination aus Hunde- und Babysitting, bis ich einen Job finde, in dem ich mich nicht ausgenutzt fühle.

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Kategorien Politik

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