WAHL 2013

Die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen. Am 22. September wird der Deutsche Bundestag gewählt. Alle Parteien wollen hinein. Aber was wollen sie dort? Wir haben uns die Wahlprogramme aller Parteien angesehen. Nun nehmen wir sie beim Wort: In unserer Serie zur Bundestagswahl stellen wir uns jede Woche vor, wie sich der Alltag von Jugendlichen in der Schule und in der Freizeit verändern würde, wenn eine Partei bei der Wahl die absolute Mehrheit erringen würde, also alleine regieren und alle Punkte aus ihrem Programm eins zu eins umsetzen könnte. Heute: die Piraten.

 

Endlich schalte ich meinen Computer aus – Schulschluss. Das Logo der zentralen europäischen Bildungssoftware erscheint, dann verabschiedet sich das Programm auf Rumänisch – der Sprache, die ich den ganzen Morgen über gepaukt habe. Mit dem Programm ist es möglich, Schulsoftware und eBooks aller europäischen Länder kostenfrei abzurufen, sich die besten auszusuchen und damit zu lernen. Im Klassenverbund wird einmal im Monat demokratisch entschieden, welche Themen in den Hauptfächern zu behandeln sind, aber ein Teil des Stundenplans bleibt immer frei für eigene Ideen. Das ist natürlich nur möglich, weil das Lernen nur noch mir selbst dient und die Lehrer mich seit dem Wahlsieg der Piraten und der damit verbundenen Abschaffung der Zensuren auch nicht mehr bewerten müssen. Nur mein Mentor, früher mal Klassenlehrer genannt, der sich individuell um alle Schüler meiner Klasse kümmert, schaut mir ab und an über die Schulter, um zu überprüfen, ob ich auch wirklich lerne.

Vor der Schule entdecke ich meinen besten Freund Elisei. Gemeinsam steigen wir in den Bus und reflexartig greife ich in die Tasche, um meine Fahrkarte zu suchen, als mir einfällt, dass ich die seit einer Woche nicht mehr brauche – die öffentlichen Verkehrsmittel sind alle kostenlos geworden. Im Bus stehen ältere Schüler, die sich über ihre Berufswünsche unterhalten. „Katarina will mit ihrer Band ein neues Album produzieren, statt zu studieren“, sagt ein Junge. „Wie will sie denn je zu Geld kommen, wenn doch seit der GEMA-Reform keiner mehr für ihre Lieder bezahlt?“ Die Antwort: „Notfalls muss sie halt vom Grundeinkommen leben.“ Ein anderer erzählt, dass seine Bewerbung für einen Job im Einwohnermeldeamt angenommen wurde. Seit man sich nicht mehr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden muss, wollen viel mehr Menschen den deutschen Pass als früher und die Behörde sucht ständig neue Sachbearbeiter.

Wir steigen aus und gehen zu Eliseis Wohnung, wo er auf dem Balkon erst einmal die Töpfe mit den Cannabis-Sprösslingen bewässert, die seine Familie für den Eigenbedarf zieht.

 

(Josephine Valeske, 17 Jahre)