Wahlkampf in der Schule nur mit Diskussion

Josephine Valeske verzichtet lieber auf übertriebene Jugendsprache. Foto: Privat
Josephine Valeske nervt es, wenn Politiker nur Kugelschreiber verteilen.  Foto: Privat

 

Von Josephine Valeske, 17 Jahre

 

Auf dem Foto strahlt Nadine (Name von der Red. geändert) in die Kamera, den Arm hat sie um die „mächtigste Frau der Welt“ gelegt – das zumindest verkündet die Bildunterschrift unter dem Post auf 
Facebook. Diese kostenlose, ungeplante Wahlwerbung kommt Frau Merkel sehr zugute. Das Foto kam zustande, als sie vor knapp zwei Wochen im Heinrich-Schliemann-Gymnasium eine Geschichtsstunde gab und später mit den Schülern posierte. Offiziell war Merkels Besuch gar kein Wahlkampf, sondere eine „sinnvolle Ergänzung zum Unterricht“. Politikern ist es nämlich verboten, zu Wahlkampfzwecken an Schulen aufzutreten und auf dem Schulgelände zu werben.

 

Allerdings umgehen Parteien diese Regelung geschickt: Man hört von kostenlos verteilten SPD-Schultüten bei Einschulungen in Kreuzberg,  Kugel­schreibern mit FDP-Logo vor einem Pankower Gymnasium und vielen anderen Geschenken, die über die Schüler ihren Weg schließlich auch zu den wahlberechtigten Eltern finden. 
Die Steuergelder der Erwachsenen werden also für die Jugend ausgegeben, wenn auch nicht auf so sinnvolle Art und Weise, wie wir das gern hätten – man bedenke marode Bauten und fehlende Materialien.

Dabei geht es auch anders. Das zeigt das Beispiel der Gustav-Heinemann-Schule in Tempelhof-Schöneberg, die die Kandidaten aller größeren Parteien, die sich auf Bezirksebene zur Wahl stellen, zu einer Podiumsdiskussion lud. So wurden Argumente und Versprechungen nicht einfach in den Raum gestellt, um sich in die Köpfe der Schüler einzunisten, sondern es entstand eine lebhafte und auch aggressive Diskussion. Die Nachwuchswähler konnten sich so selbst eine Meinung darüber bilden, wer denn nun der überzeugendste Kandidat sei, wem sie oder die Eltern ihre Stimme geben sollten. In der Nachbereitung kann gleich auf die Versprechen der jeweiligen Parteien eingegangen und deren Umsetzbarkeit überprüft werden. Praktischer kann Politikunterricht kaum sein. Und da dieser in Berliner Schulen sowieso Mangelware und meistens freiwillig ist, sollten engagierte Lehrer die Chance nutzen, ihre Zöglinge jetzt für das Thema Politik zu inte­ressieren – bevor es zu spät ist und der Wille, sich mit politischen Themen zu beschäftigen, endgültig versiegt.

Zu Wahlkampfzeiten tun sich in den sonst so überfüllten Terminplänen der Politiker nämlich ungeahnte Lücken auf, die sie nur zu gern mit publikumswirksamen Podiumsdiskussionen füllen. Anfragen stellen kann jeder, ob Politiklehrer oder engagierter Schüler. Und vielleicht springen ja auch noch ein paar Kugelschreiber dabei heraus.

 

Sollten Politiker im Wahlkampf in den Schulen ihre Thesen verteidigen? Diskutiert mit uns.

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Kategorien Politik

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