Wir leben nicht in der Welt von Bushido

Bill Schneider kann Erwachsene beruhigen: Jugendliche sind nicht wie Bushido.  Foto: Privat
Bill Schneider kann Erwachsene beruhigen: Jugendliche sind nicht wie Bushido. Foto: Privat

Von Bill Schneider, 18 Jahre

 

Morgens, halb zehn auf einem Berliner Schulhof: Pöbelnd, um sich rotzend und ziemlich aggressiv werden in der großen Pause Nettigkeiten ausgetauscht. Basti zieht Yara ihr Pausenbrot ab, nennt sie eine „Nutte“, droht ihr, sie umzubringen, sagt ihr, was er nachts gerne mit ihr machen würde, und fühlt sich dabei cool. Yara, die auch in kühlen Jahreszeiten nicht mit ihren Reizen geizt, heult pathetisch auf, fragt, was dieses „Opfer“ von ihr wolle und genießt die Aufmerksamkeit der Umstehenden.

So ähnlich müssen sich Erwachsene wohl den Alltag Jugendlicher vorstellen, wenn sie schon mal einen Bushido-Song gehört haben. Sie müssen glauben, Jugendliche betrieben eine ständige Selbstinszenierung mit Hilfe eines jämmerlich kleinen, dafür aber sehr vulgären Wortschatzes, durch gewaltbereites, machohaftes Auftreten, und Beleidigung von allem, was einem fremd oder auch nur anders erscheint. Zu einem solchen Zerrbild trägt Bushido schon lange bei. Sein neuester Song „Stress ohne Grund“, der nun auf dem Index steht, ist ein neuer Höhepunkt. Man könnte auch sagen: Bushido ruiniert nicht nur seinen eigenen Ruf, sondern den der Jugend gleich mit. Schließlich gilt er als Musiker, der fast nur von Jugendlichen gehört wird. In der Diskussion um sein neues Stück sollte deshalb nicht vergessen werden, dass er schon immer nur eine Minderheit von jungen Menschen angesprochen hat, und weder den gedanklichen noch den musikalischen Horizont von Jugendlichen widerspiegelt.

Noch vor ein paar Jahren erschien der Rapper als Musterbeispiel geglückter Integration. Vom kriminellen Drogenkonsumenten mit Migrationshintergrund wandelte er sich zu jemandem, der mit Vertretern der Biederkeit wie Karl Moik und Peter Maffay gemeinsam im Tonstudio stand, um eine Platte aufzunehmen. Höhepunkt von Bushidos Ausflug in die Bürgerlichkeit war der Bambi für seine Verdienste für die Integration in Deutschland.

Ich kann mich nur schwer entscheiden, was ich abstoßender finde: sich anzubiedern, indem man sich mit Fossilien der Schlagergeschichte verbrüdert? Oder die durchschaubare Effekthascherei mit Hilfe des beleidigenden Textes seines neuen Liedes? 
Die meisten Jugendlichen sind weder scheinheilige Schleimer, die auf den Bambi hinarbeiten, noch primitive Sackkratzer, die dümmliche Rapmusik hören und frauenfeindlich oder homophob sind. Es gibt auch solche, die sich mit den Gitarrenakkorden von Jimi Hendrix identifizieren oder die Techno-Beats von Ben Klock und Steffi hören. Bushidos eindimensionale Darstellungen vom Jugendlichsein repräsentieren die wirkliche Bandbreite jedenfalls nicht.

War es richtig, Bushidos neuen Song auf den Index zu setzen? Diskutiert mit uns.

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Kategorien Politik

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