Ehrenamtliches sollte ehrlich bleiben

Anna-Lisa Menck: "Wer ein Ehrenamt ausübt, sollte das nicht für die Karriere tun." Foto: Raufeld/Vivian Yurdakul
Anna-Lisa Menck: „Wer ein Ehrenamt ausübt, sollte das nicht für die Karriere tun.“
Foto: Raufeld/Vivian Yurdakul

Von Anna-Lisa Menck, 23 Jahre

 

Endlich Zeit zum Durchatmen: In anderthalb Wochen beginnen in Berlin die Sommerferien. Sechs Wochen Ruhe vor Prüfungsstress und Hausaufgaben nach acht Stunden Unterricht und vor der Sorge, den steigenden Ansprüchen unserer Leistungsgesellschaft nicht zu genügen. „Früher, schneller, mehr“ könnte die Devise der letzten Bildungsreformen lauten, die unter anderem zum G8-Turbo-Abi geführt haben. Den Leistungsdruck spüren sogar schon Grundschüler: Laut einer Studie des Deutschen Kinderschutzbundes leidet jeder Dritte von ihnen unter Stress.

Das wirkt sich auch auf die Bereitschaft von Jugendlichen aus, sich in ihrer knapp bemessenen Freizeit ehrenamtlich zu engagieren. Die Freiwilligen-Initiative FISch, die selbst durch beeindruckendes ehrenamtliches Engagement ermöglicht wird, will da gegensteuern und Schüler zu ehrenamtlichen Tätigkeiten motivieren. Im Wissen um Leistungsdruck und volle Stundenpläne ruft die Initiative Schüler dazu auf, die Sommerferien für solche Einsätze zu nutzen – im Prinzip eine sehr gute Idee.

Der Titel des Formats, „Engagement 50+“, macht allerdings stutzig. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine Kampagne für Senioren, sondern um die Anzahl der Stunden, zu deren Ableistung sich die Schüler verpflichten müssen, um – nach sorgfältiger Prüfung der dafür ausgestellten Bescheinigungen – ein Zertifikat und eine „Kompetenz- und Qualifikationsmappe“ zu erhalten. „Die Kompetenzmappe wird eine wertvolle Hilfe für den Eintritt ins Berufsleben sein.“ Denn sie „gibt Auskunft über die geleisteten freiwilligen, ehrenamtlichen Tätigkeiten und die dadurch erworbenen Kompetenzen und Qualifikationen“, heißt es im Infomaterial.

Mit dieser Motivationsstratgie wird hier auch ehrenamtliches Engagement, das ja eigentlich davon lebt, selbstlos und gerade nicht karriereorientiert zu sein, dem Leistungsdenken untergeordnet. Die Jugendlichen werden nicht nur aufgefordert, ihre Freizeit mit Blick auf die Aufwertung des Lebenslaufes zu gestalten. Ihnen wird auch suggeriert, dass Kompetenzen und Qualifikationen nachweisbar erworben, geprüft und zertifiziert werden müssen, um etwas wert zu sein. Was ist mit Argumenten wie Tatendrang, Hilfsbereitschaft und Neugier? Oder der Motivation, die Welt durch ehrenamtliches Engagement ein kleines bisschen besser zu machen? Anscheinend sind sie – weit abgeschlagen hinter Leistungsorientierung und Bildungsökonomisierung – auf der Strecke geblieben. Vielleicht sollten Schüler den Beginn der Sommerferien zunächst dafür nutzen, einen Gang herunterzuschalten, sich zu sammeln und dann zu engagieren – aus gutem Willen und nicht für eine Kompetenzmappe.

 

Seid ihr ehrenamtlich aktiv? Wo engagiert ihr euch und aus welchem Grund?

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Kategorien Politik

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