Von Paul Engelschalt, 17 Jahre
„Wissenschaftlich arbeiten“ – das verlangt die Senatsbildungsverwaltung von uns Schülern bei der mündlichen Präsentationsprüfung zur Erlangung des Mittleren Schulabschlusses. Wir sollen dabei Quellen kritisch analysieren, sie vergleichen und uns zu einem vorgegebenen Problem selbst eine Meinung bilden. Dabei wird ganz genau darauf geachtet, dass wir die genutzten Quellen richtig angeben. Ich zum Beispiel bekam mächtig Ärger, weil ich zwei Quellen aufgeschrieben hatte, die ich inhaltlich nicht aufgriff.
Bildung ist Sache der Bundesländer, sie allein machen die Lehrpläne. Aber dass in mehreren Bundesländern seit einiger Zeit immer mehr Wert darauf gelegt wird, dass schon in der Sekundarstufe I mit Fußnoten und Literaturverzeichnissen gearbeitet wird, geschieht natürlich auch im Interesse des Bundesbildungsministeriums. Noch ist Annette Schavan Bildungsministerin, seit dieser Woche Ex-Doktorin der Erziehungswissenschaften. Die Frau also, die auf ihre kritisch beäugte Dissertation angesprochen ein paar „Flüchtigkeitsfehler beim Zitieren“ einräumte und der nun ihr Titel aberkannt wurde. Schavan wehrt sich, sie will dagegen klagen, also ist noch alles offen. Es passt aber trotzdem nicht zusammen, dass der Umgang von Schülern mit Quellen auf Herz und Nieren geprüft wird, während nicht einmal sicher ist, ob die Bildungsministerin weiß, wie man es richtig macht. Die Penetranz, die einige Lehrer bei der Kontrolle von Schülerarbeiten anwenden, fehlte offensichtlich vor 30 Jahren bei der Kontrolle der Doktorarbeit von Annette Schavan.
Damit man mich nicht falsch versteht: Es ist ja gut, wenn Schüler richtiges Zitieren lernen, umso leichter hat man es, wenn man später einmal studieren möchte. Aber ist dieser Ansatz noch glaubwürdig, wenn klar wird, dass die Bildungsministerin selbst nicht das kann, was von den Schülern verlangt wird?
Minister müssen ja auch nicht unbedingt einen Doktortitel haben, für mich ist es völlig akzeptabel, wenn ein hochrangiger Politiker keinen besitzt. Was jedoch nicht akzeptabel ist, ist jemand in einer derartigen Position, der bei seiner Dissertation abgeschrieben hat.
„Wer abschreibt, bekommt eine Sechs“, lautet ein Spruch, den viele Lehrer vor jeder Klassenarbeit aufsagen. Bildlich gesprochen könnte dieses Schicksal nun Annette Schavan ereilen. Wenn sie als Bildungsministerin zurücktreten muss, wäre dies zumindest pädagogisch sinnvoll.
Wie streng sind eure Lehrer, wenn es ums Abschreiben geht? Sagt uns eure Meinung!