Die Staubschicht auf den Mikrofonen

 

Carolin Benack bemängelt die mentale Vergreisung der Olympia-Kommentatoren.
Foto: Cora-Mae Gregorschewski

Von Carolin Benack, 23 Jahre

 

Dass der tschechische Zehnkämpfer Roman Šebrle „37 Lenze zählt“, ist zu verschmerzen. Das Alter sowieso, aber auch die altmodische Formulierung von ARD-Kommentator Wilfried Hark. Allerdings ist sie symptomatisch für das, woran die Olympia-Berichterstattung im Ersten und Zweiten in den vergangenen Wochen krankte: den Altherrenjournalismus. Wie Günter Grass schreibt, so wurde Olympia kommentiert. Und das, obwohl die Öffentlich-Rechtlichen hier eine ihrer wenigen Chancen hatten, einmal ein jüngeres Publikum zu erreichen.

 

Und ja, es handelte sich vornehmlich um die männlichen Kommentatoren. Frauen konnten gar keine altbackenen Dinge sagen, weil sie schlicht nicht wirklich im olympischen Journalistenkader vertreten waren. Das ZDF zählte ganze drei Frauen in seinem 29-köpfigen Reporterteam, die ARD zwei, eine von ihnen ist nicht einmal Journalistin sondern Franziska van Almsick.

 

Abgesehen von der unzeitgemäßen Personalpolitik der Öffentlich-Rechtlichen mussten wir uns unnötige Kommentare dazu anhören, dass irgendein Leichtathlet den Titel des Meist­tätowierten gewinnen würde, wenn es den gäbe. Ach nein, solche Spaßvögel, die Herren Moderatoren! Besonders schlimm war es im Fall von Turner Marcel Nguyen, der sicherheitshalber sein Tattoo überschminkt hatte, um keine Abzüge in der Wertung zu bekommen. Hier wäre Kritik an den intoleranten Olympia-Richtlinien angebracht gewesen, stattdessen wurde immer nur auf die Existenz der Tätowierung hingewiesen. Zu ausgefallen, zu rebellisch, zu jung für die alten Herren.

 

Am offensichtlichsten trat die Großväterlichkeit hervor, wenn die Reporter tatsächlich in die Rolle der Opas schlüpften. Die Annäherungsversuche von Moderator Thomas Braml an den einjährigen Sohn von Kanutin Katrin Wagner-Augustin während des Interviews mit dem Vater waren schon peinlich genug. Dann holte Braml David Storl, Kugelstoßer und Freund einer anderen Kanutin, heran und war ganz selig ob der „Familienzusammenführung“. Dem 22-jährigen Storl stellt er die Frage, die jedes junge Paar bei Familienfesten fürchtet: „Und David, wann kann man denn bei euch mit Nachwuchs rechnen?“

 

Es scheint ja schon fast genüsslich, wie die alten Männer sich da in ihrer Gestrigkeit suhlen. Stattdessen sollten sie lieber die Olympischen Spiele nutzen, um den jüngeren Zuschauern zu beweisen, dass ARD und ZDF doch noch nicht komplett eingestaubt sind. Denn wir haben unsere eigenen Opas, wir brauchen keine schlechten Kopien auf dem Bildschirm.

 

Brauchen wir bei der nächsten Olympiade jüngere Kommentatoren? Diskutiert mit!

Das könnte Dich auch interessieren

Kategorien Politik

Auf spreewild.de berichten wir über alles, was uns bewegt – über Schule, Politik und Freizeit, Liebesglück und -kummer oder den Schlamassel mit der eigenen Zukunft. Wir bieten Hintergrundgeschichten zu den Artikeln, die wir auf der Jugendseite veröffentlicht haben, stellen Fotos und Videos ins Netz. Dazu gibt es die Fotoserien der Jugendredaktion, Musik-, Buch- und Filmbesprechungen sowie all die Fragen, die uns die Prominenten jede Woche stellen.

Kommentare sind geschlossen.