Schulklassen im Greisenhand

Immer weniger Junglehrer wollen in Berlin unterrichten. Sie sind schlechter gestellt als ältere Kollegen


Von Josephine Valeske , 16 Jahre


Mehr als 11 000 Unterrichtsstunden fallen laut aktuellen Erhebungen jede Woche an Berliner Schulen aus. Zurückzuführen ist dies nicht allein auf den hohen Krankenstand der Lehrer, sondern auch darauf, dass es zu wenig Lehrer in Berlin gibt. Seit 2004 die Verbeamtung von Lehrern in Berlin eingestellt wurde, klagen junge Lehrer über die Nachteile, die ihnen dadurch entstehen – und wandern in andere Bundesländer ab. Noch bekommt man an den Schulen von dem Lehrermangel wenig mit. Doch für Direktoren wird es schwieriger, neue Lehrer zu finden, die bereit sind, in Berlin zu arbeiten.


Torsten Brandes, Informatiklehrer an der Rosa-Luxemburg-Oberschule, spricht über die Gründe der Abwanderung. Seit 2004, so der 34-Jährige, hätten sich zwei Klassen von Lehrern entwickelt: die Beamten und die jüngeren Angestellten. Der Vorteil einer Verbeamtung besteht einerseits in der Unkündbarkeit, andererseits im Gehalt, das mit den Dienstjahren steigt. Anders bei den angestellten Junglehrern: „Ich werde, wenn ich in Berlin bleibe, nie mehr verdienen, als ich es jetzt tue“, so Brandes. Der Gehaltsunterschied zwischen Angestellten und Beamten liegt im Bereich von mehreren Hundert Euro.


Dies liegt auch daran, dass verbeamtete Lehrer weniger Steuern zahlen, zudem bekommen sie eine höhere Pension und Lohnzuschläge für jedes Kind. Im Falle einer längeren Erkrankung werden sie weiterhin voll bezahlt, Angestellten hingegen wird nach sechs Wochen Krankheit weniger Lohn gezahlt. Torsten Brandes: „Beide Klassen von Lehrern haben die gleiche Ausbildung, die gleiche Qualifikation und leisten das gleiche Arbeitspensum. Das Einzige, was die verbeamteten Lehrer von den Angestellten unterscheidet, ist, dass sie einige Jahre früher eingestellt wurden.“


Für junge Lehrer wird Berlin deshalb zum unattraktiven Arbeitsort. Schon das Nachbarland Brandenburg bietet alle Vorteile, die sie hier nicht bekommen. Auch andere Bundesländer winken mit guten Arbeitsbedingungen. Berlin vergreist, sagt Brandes. Er selbst möchte eigentlich nicht aus aus der Stadt weg, würde aber das Bundesland wechseln, wenn er ein gutes Angebot erhält.


Dennoch tauchen in vielen Berliner Schulen Anfang jedes Schuljahres neue Gesichter auf. Anne Wilhelm, die gerade ihr Referendariat an einem Berliner Gymnasium beendet und nun eine Vollzeitstelle bekommen hat, kann erklären, was junge Lehrer bewegt, hierzubleiben: „Ich mag meine Schule. Die Kollegen und Schüler sind nett. Außerdem hatte ich, als ich mein Referendariat beendete, gerade zwei Abiturkurse und eine Klasse, die bald den Mittleren Schulabschluss macht. Denen hätte ein Lehrerwechsel nicht gutgetan.“ Sie versteht, dass Lehrer nach der Ausbildung in Berlin in andere Bundesländer wechseln.


Solange die Länder entscheiden, welche Berufsgruppen verbeamtet werden, wird es keine bundesweite Regelung geben. Brandes meint: „Berlin muss um seine Lehrer kämpfen. Ob Verbeamtungen wieder eingeführt oder die Gehälter der Angestellten angepasst werden, ist egal. Wichtig ist, dass die Ungerechtigkeit ein Ende hat.“ Sie sei das eigentliche Problem. Lehrer verdienen genug zum Leben, aber die Unterschiede zwischen den einzelnen Lehrern seien es, die viele wütend machen.

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Kategorien Politik

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