Lesen fürs Leben

Mehr als alle Komponisten der Musikgeschichte beeinflusste Nick Hornbys Roman „About a Boy“ Vivians musikalisches Wirken – nicht unbedingt zum Guten, aber immerhin entbehren seine Auftritte nicht einer gewissen Komik. Foto: Raufeld/Verena Bruss

Sanftes Sterben:


Kein Zweifel, Nick Hornby hat recht: Menschen, die sich selbst zu ernst nehmen, wenn sie singen und dazu ein In-
strument spielen, sind peinlich. Diese Erkenntnis schrieb der Schriftsteller in seinem Roman „About a Boy“ nieder, in dem es um die ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem 12-jährigen Marcus, der für sein Alter zu erwachsen ist, und dem 36-jährigen Will, der nie wirklich erwachsen geworden ist, geht. An der wohl lustigsten Stelle des Buches beschreibt Hornby, wie Will peinlich berührt ist, als Marcus’ Mutter Fiona sich ans Klavier setzt und mit geschlossenen Augen und voller Inbrunst „Killing Me Softly With His Song“ singt.


Kurz nachdem ich den Roman gelesen hatte, sorgte meine damalige Musiklehrerin Frau Schneider unbewusst dafür, dass die Buchstelle im Musikunterricht nachgestellt wurde. Sie selbst spielte dabei, ohne es zu wissen, glaubhaft die Rolle von Fiona, indem sie am Klavier saß und aus Leibeskräften „Killing Me Softly With His Song“ spielte und sang. Meine Klasse übernahm den Part von Will: Wir schämten uns für sie und sahen uns, um es mit Hornbys Worten zu sagen, genötigt „die eine oder andere Textsilbe herauszupressen“.


Ich glaube, ich habe von diesem Erlebnis ein Trauma davongetragen: Wann immer ich ein Klavier sehe, habe ich den Drang, mich daranzusetzen und zu tun, was laut Hornby Menschen machen, die sich und ihren Gesang nicht zu ernst nehmen: nämlich ein „schrilles Spektakel“ um auch dem Letzten klar zu machen, dass sie sich nicht ernst nehmen. Niemand spielt „Killing Me Softly With His Song“ mit so weit zurückgelegtem Kopf und so fest geschlossenen Augen wie ich. Danke Nick Hornby.


Vivian Yurdakul, 22 Jahre

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