König von Gottes Gnaden

Ludwig XIV. hielt Gott für seinen direkten Vorgesetzten. Foto: Gemälde von Hyacinthe Rigaud, Wikimedia

Francisco möchte wissen: Warum haben sich frühere Herrscher als König von 
Gottes Gnaden bezeichnet?


Herr Höff antwortet: Ein junger Mensch kann sich vermutlich kaum noch in eine Zeit hineindenken, in der Personen über das Volk herrschten, ohne durch eine Willensäußerung des Volkes, etwa Wahlen, legitimiert zu sein.


Im Vergleich zu Zeiten, in denen Kaiser oder Könige gar nicht auf die Idee kamen, für ihre Machtausübung irgendeine Legitimation zu brauchen, sondern eher damit befasst waren, ihre Macht gegenüber anderen Herrschern zu behaupten, war der Begriff „von Gottes Gnaden“ immerhin ein zaghaftes Bemühen, sich überhaupt von irgendeiner Instanz legitimieren zu lassen. Damals wurde Gott als oberste Instanz gesehen, weshalb es schlau war, zu behaupten, von ihm legitimiert zu sein.


Allerdings stellten die Gott angedichteten Herrscherattribute nichts weiter dar als das menschliche Bemühen, Gott für eine Gesellschaftsordnung zu vereinnahmen.


In einer Gesellschaft aber, die sich als herrschaftsfrei versteht, wo die Regierung eine Dienstleistungsinstitution ist und die Minister Angestellte des Volkes sind, die vom gewählten Parlament kontrolliert werden, wäre Gott als Herrscher gar nicht einzuordnen. Und das ist gut so, denn Gott hat nichts mit einem König oder Diktator zu tun. Wenn Leute, die im Normalfall nur auf die Knie gehen, wenn sie auf dem Fußboden etwas suchen, in der Kirche singen „Lasst uns vor ihm niederfallen“ oder sogar tatsächlich auf die Knie fallen sollen, werden sie zu einer Zweigleisigkeit genötigt, die meiner Meinung nach nicht in eine herrschaftsfreie Gesellschaft passt.


Sich auf Gott als Legitimation für eine absolutistische Machtausübung zu berufen war zu keiner Zeit angemessen. Einige Könige haben ja auch recht drastisch erfahren, dass eine Legitimation der Macht nur von Volkes Gnaden möglich ist und wenn diese entzogen wird, nicht nur die Macht verloren, sondern unter Umständen auch der Kopf ab ist.


Da ist es schon sinnvoller, wenn ein König wie Friedrich II. von Preußen sich als erster Diener seines Staates versteht und dabei nicht etwa denkt, dass er der Staat ist, wie es der so genannte Sonnenkönig Ludwig XIV. in Frankreich formuliert hat.


Zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft gehört natürlich immer auch der zur Freiheit fähige Bürger, der selbst Verantwortung übernimmt und Könige – von wessen Gnaden auch immer – überflüssig macht. Die Sorge des Bundespräsidenten Gauck, dass zu viele Leute nicht einmal willens sind, solche Bürger zu sein, erscheint mir nicht unberechtigt.


Dein Manfred


Wer sind eigentlich diese Alter Egos, die mit der Kraft der zwei Erfahrungsschätze, in allen Lebenslagen Rat wissen? Frau Haube und Herr Höff haben sich 2010 in unserem Superoma- und Superopa-Casting durchgesetzt und beantworten seitdem eure Fragen. (Habt ihr eine? Schreibt uns unter blz-jugendredaktion@berliner-zeitung.de)



Hier könnt ihr sie kennenlernen, Film ab:

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