Frei auf dem Papier

Im Iran werden Journalisten mundtot gemacht. In Deutschland herrscht Pressefreiheit – mit Grenzen




Negin Behkam und Kaveh Ghoreishi wurde im Iran der Mund verboten. / Foto: Andre Rehse



von Marie-Therese Harasim, 20 Jahre, Lisa Opolka, 15 Jahre und Maximilian Henning, 19 Jahre


Negin Behkam ist Journalistin in Berlin. Freiwillig ist sie nichthierher gekommen. Das Regime um Mahmud Ahmadinedschad hat sie dazu gezwungen. Jeden Tag wurden die Schreiben der Regierung drohender, bei einer Zeitung wurde ihr auf Veranlassung der Regierung gekündigt. Und zuletzt hatte der stellvertretende Minister für Intelligenz und Sicherheit gegen sie Anklage erhoben und ihr Auto im Rahmen der Ermittlungen beschlagnahmt. Da beschlos sie, das Land zu verlassen.


Auch Kaveh Ghoreishi, ein Blogger aus dem Iran, hat seinem Land den Rücken gekehrt: „Ich habe mitbekommen, wie andere Blogger verhaftet wurden, hohe Haftstrafen bekamen oder nur gegen immense Kautionen frei kamen. Ich habe keinen Augenblick zu lang gezögert und bin gegangen.“


Hilfe für die Flucht haben die beiden von der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) erhalten. Die deutsche ROG-Sektion wurde vor 17 Jahren als Reaktion auf den Tod von Egon Scotland, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, gegründet: In der vergangenen Woche jährte sich sein Todestag zum 20. Mal, er wurde am 26. Juli 1991 im Jugoslawien-Krieg ermordet.


Die Reporter ohne Grenzen kämpfen gegen Zensur und treten schützend für Journalisten in aller Welt ein. Sie erstellen auch eine jährliche Rangliste, die angibt, wie es in 178 begutachteten Staaten um die Pressefreiheit bestellt ist. Iran belegt auf dieser mit Nordkorea, Turkmenistan und Eritrea die letzten Plätze.


„Der Stand der Pressefreiheit ist ein Gradmesser für den Zustand individueller Freiheit in einem Staat“, sagt Dr. Michael Rediske, der Geschäftsführer des Vereins Berliner Journalisten und ehrenamtlicher Vorstandssprecher von Reporterohne Grenzen. Die Pressefreiheit einzuschränken, sei einer der ersten Schritte zur Machterhaltung totalitärer Regimes, denn so könne missliebige
Berichterstattung unterbunden werden.


In Deutschland sind die Presseund Meinungsfreiheit im Artikel 5 des Grundgesetzes verankert. Grenzen finden sie nur in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, dem Jugendschutz und in den Persönlichkeitsrechten jedes Einzelnen. Aber so fremdartig uns Zensur und Verbot von freier Meinungsäußerung auch erscheinen – auf Platz eins des Pressefreiheit-Rankings steht Deutschland nicht. Auf der aktuellen Liste von 2010 nehmen wir den 17. Platz ein – vor uns Länder wie Estland, Japan oder Österreich. Minuspunkte seien laut Rediske vor allem ein Mangel an Informantenschutz, Übergriffe gegen Journalisten und die Abnahme der Medienvielfalt. So wundert sich auch Negin Behkam, warum die Deutschen Pressefreiheit als so etwas Selbstverständliches ansehen und die Situation im Iran als so bemerkenswert empfinden. Schließlichhabe ein Teil der Deutschen bis vor Kurzem in der DDR gelebt und ähnliche Erfahrungen mit einem Regime
gemacht, das die freie Meinungsäußerung unterbinden wollte. Letztlich, sagt sie, sei es selbst in der vorbildlichsten Demokratie wichtig, immer wieder zu überprüfen, wie es um die Meinungsfreiheit bestellt ist.

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Kategorien Politik

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