Wenn aus positiv negativ wird

Die Berliner Aids-Hilfe bietet seit einiger Zeit das „Schoolwork“-Programm an. Mitarbeiter wie Thomas Wilke leisten dabei in Schulklassen oder einzelnen Jugendgruppen Aufklärungs- und Präventionsarbeit in Sachen HIV und Aids.


Herr Wilke, wir Jugendliche werden oft mit dem Thema HIV und Aids konfrontiert. Sex ist daher häufig an ein schlechtes Gewissen gekoppelt, da wir Angst haben, wir könnten uns anstecken. Was ist denn wirklich sicher? Gar keinen Sex haben?
Zunächst einmal gibt es keinen Grund Angst zu haben. Angst entsteht durch eine fehlende Aufklärung über das Thema. Sex ist etwas Positives und man sollte ihn genießen. Damit das möglich ist, ist es wichtig über Partnerschaft, Treue, Kondomgebrauch und HIV und seine Wünsche offen zu sprechen. Sofern man nicht in einer festen Partnerschaft ist und kein aktueller HIV-Test der sexuellen Partner vorliegt, sollten generell Kondome benutzt werden. Die sind sicher, solange man sie richtig benutzt – das Platzen von Präservativen kommt häufig von falscher Verwendung. In Beratungseinrichtungen kann man einschätzen lassen, wie hoch das Risiko überhaupt ist, sich bei einem Sexkontakt angesteckt zu haben. Oft wird das Risiko nämlich überschätzt. Wenn eine gewisse Selbst- und Fremdverantwortung also vorhanden ist, braucht man keine Angst vor HIV zu haben.


Thomas Wilke (Foto: privat)
Trotzdem schlägt die Furcht vor HIV bei einigen Menschen in eine regelrechte Panik um. Obwohl die Testergebnisse negativ sind, glauben sie an eine Infektion. Wie berechtigt ist dieser Glaube?
Ein HIV-Test sollte frühestens drei Monate nach dem Risikokontakt gemacht werden. Wenn man diese Zeitspanne einhält, kann man sich auf das Ergebnis verlassen. Es gibt kein falsch-negatives Ergebnis. Ist der Test negativ, kann man sicher sein, nicht vom HI-Virus angesteckt worden zu sein. Bei einem positiven Ergebnis wird ein zweiter Test gemacht, um das erste zu überprüfen. Der Glaube, man sei HIV-positiv, obwohl der Test ein negatives Ergebnis zeigt, ist also unberechtigt.

Ein HIV-Test erfordert Mut. Durch den Rechtsstreit von Nadja aus der Band No Angels weiß man, dass es sogar rechtliche Probleme schaffen kann, sich über seine Krankheit bewusst zu sein. Warum sollten Jugendliche trotzdem motiviert sein, einen Test machen zu lassen?
Die Motivation sollte in den Chancen liegen. Früher bedeutete die Diagnose „positiv“ oftmals einen schnellen Tod. Das ist heute anders. HIV kann behandelt werden. Je früher man die Krankheit erkennt, desto weniger stark ist der Krankheitsverlauf. Wenn man erst durch die Symptome der Aids-Krankheit auf die Erkrankung aufmerksam wird, kann das Immunsystem sich nie wieder richtig erholen. Außerdem bringt der HIV-Test einen großen Vorteil: Sofern man in einer festen Partnerschaft lebt und beide keine anderen sexuellen Partner haben, könnte auf Kondome verzichtet werden, wenn beide ein negatives Testergebnis vorzuweisen haben. Ein aktueller HIV-Test ist dafür natürlich wichtig. Dennoch sollte man, um hundertprozentig sicher zu sein, Kondome möglichst weiter benutzen. Denn sie schützen nicht nur vor HIV, sondern auch vor anderen Geschlechtskrankheiten und ungewollter Schwangerschaft.

Was bedeutet „aktueller HIV-Test“? Wie oft sollte man einen machen? Die Gefahr besteht ja im Grunde nach jedem ungeschützten Geschlechtsverkehr….
Einen HIV-Test sollte man auf regelmäßiger Basis machen, alle ein bis zwei Jahre sind empfohlen. Auch hier ist noch einmal die Kommunikation mit dem Partner zu betonen, auch über andere Krankheiten sollte gesprochen werden. Denn bei angegriffenen Schleimhäuten kann der HI-Virus schneller auf den Körper übertragen werden.

Inwiefern beeinflusst uns die Konfrontation mit der Krankheit und die Präventionsarbeit? Verhalten wir uns dadurch vernünftiger?
Die Zahlen sprechen dafür. Jugendliche scheinen sich über das Risiko bewusst zu sein und das beeinflusst sicher das Verhalten. In der Jugend lernt man mit Sexualität umzugehen – deswegen ist es wichtig, Jugendliche rechtzeitig zu erreichen. Es geht um die Gewöhnung an das Thema und die Risiken. Wichtig ist auch, dass die jungen Leute lernen, andere Lebensweisen zu akzeptieren. HIV-Erkrankte sind zum größten Teil homosexuelle Männer. Leider ist die Homosexualität immer noch ein Stigma, viele junge Männer wachsen in einem homophoben Umfeld auf. Dadurch können sie oft nicht an die Informationen gelangen, die sie brauchen. Jede Person sollte die Möglichkeit dazu haben, seine sexuelle Identität auszuleben. Es ist eine Tatsache, dass die meisten HIV-Positiven in Deutschland gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren bzw. erfahren haben. Die Präventionsarbeit versucht diese Verhältnisse zu ändern und Menschen auf verschiedenste Lebensweisen zu sensibilisieren.

(Interview: Marie Röder, 17 Jahre)

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Kategorien Politik

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