Keine Panik, wir verstehen uns doch alle ganz gut
von Vivian Yurdakul, 20 Jahre
Jetzt auch noch Heinz Buschkowsky! – Nach Thilo Sarrazin äußert sich nun auch der Neuköllner Bezirksbürgermeister und zweiter Chefprovokateur der SPD in der derzeitigen Integrationsdebatte. Neuköllns Einwandererfamilien fielen zurück ins Mittelalter, befürchtet er. Das wäre natürlich ein Problem, da hätte Buschkowsky recht.
Genauso wie all die Leute recht haben, die sich momentan in Talkshows setzen und verkünden, dass sie Thilo Sarrazin zwar nicht mögen, er jedoch einige Probleme anspreche, die es wirklich gebe. Natürlich gibt es in Deutschland Integrationsprobleme. Was jedoch niemand sagt: Diese Probleme sind im Vergleich zu denen anderer Länder verhältnismäßig gering. Wer wirklich misslungene Integration sehen möchte, sollte sich einmal in die Pariser Banlieues begeben. Oder in bestimmte Londoner Stadtteile im Nordosten oder südlich der Themse, wo man als Weißer schief angeguckt wird. Ganz zu schweigen von der South Bronx in New York, dem wahrscheinlich berühmtesten Ghetto der Welt. Dagegen wirkt Neukölln wie das Setting einer Rosamunde Pilcher-Verfilmung.
Selbstverständlich kann die Tatsache, dass es woanders noch schlechter um die Integration bestellt ist, keine Entschuldigung sein. Aber unter der Prämisse, dass es da, wo es Integration gibt, immer auch Integrationsprobleme gibt, kann man doch feststellen, dass die deutsche Politik in dieser Sache vergleichsweise erfolgreich ist. Den Migranten würde es guttun, in dieser Hinsicht mehr gewürdigt zu werden. Niemand, der einmal ein echtes Ghetto gesehen hat, würde Neukölln als ein solches bezeichnen. Nur zehn bis 15 Prozent aller Migranten, so hat es die Bundesregierung ermittelt, sind nicht integrationswillig. Und die meisten anderen sind so gut integriert, dass sie überhaupt nicht als Ausländer auffallen.
Im Mittelalter wurden Menschen, die anders aussahen, verfolgt. Die Einzigen, die im Augenblick Gefahr laufen, ins Mittelalter zurückzufallen, sind deshalb die Politiker, die die Integrationsdebatte nutzen, um Panik zu schüren.