„Mir wurde klar, wie falsch das alles gewesen ist“


Feierabend in der Abendsonne: Hans Ulrich Abshagen (hinten, Vierter von links, sitzend) gemeinsam mit seinen Kameraden im Sommer 1944 auf dem Gelände der Infanterie-Kaserne in Deutsch Krone. Foto: Zeitgut Verlag

Wie fühlte man sich eigentlich als 17-Jähriger im Zweiten Weltkrieg? Ein Zeitzeuge erzählt


von Marie-Lena Hutfils, 18 Jahre


Siebzehn Jahre war Hans Ulrich Abshagen alt, als er sich zu einer Eliteeinheit der Wehrmacht meldete. „Von Leben und Tod hatten wir noch keine Ahnung, aber die Maschinengewehre fanden wir toll“, sagt er mit klarer Stimme. Sein sehnlichster Wunsch war es, der Krieg möge noch so lange dauern, bis er selbst an der Front mitkämpfen könne – „Für Führer, Volk und Vaterland“. Seine Erinnerungen an die Zeit als Jugendlicher im Zweiten Weltkrieg hat Hans 
Ulrich Abshagen in seinem Buch  „Generation Ahnungslos – Momentaufnahmen eines 17-Jährigen ’44“ festgehalten. Wenn der 83-jährige Aufsichtsrat heute an die Zeit zurückdenkt, ist es ihm schleierhaft, dass er und der Großteil seiner gleichaltrigen Freunde es für das Größte hielten, unter der Führung Hitlers zu kämpfen.


Aber über Politik wurde eben auch kaum geredet. Dass sein Vater an dem versuchten Attentat an Hitler von Claus Schenk Graf von Stauffenberg beteiligt, also mit dem Feind im Bunde war, schien unmöglich. „Er hatte doch auf den Eid geschworen, dachte ich mir. Das muss eine Verwechslung sein“, erzählt Abshagen und erinnert sich an den Moment, als er von der Verhaftung seines Vaters erfuhr. Erst seine Schwester weckte Zweifel in ihm. Durch ihre Arbeit im Auswärtigen Amt konnte sie Radionachrichten aus der ganzen Welt hören und bekam einen Eindruck, wie der Rest der Welt Deutschland sah. Deutschland hatte den Krieg angefangen. Täglich wurden tausende von Menschen getötet. „Du bist der Feindpropaganda verfallen, warf ich ihr damals vor“, sagt Abshagen und lacht. Sein Blick ist aufgeweckt. Er scheint heute selbst kaum mehr glauben zu können, dass er so überzeugt war und fügt hinzu: „Aber meine Generation wurde so erzogen, dass es sich nicht gehörte die Meinung Erwachsener in Zweifel zu ziehen. Die heutige Jugend hat uns da klar etwas Voraus“. Nur wenige konnten sich davon lösen. Rückblickend gab es wohl nur einen einzigen Jungen in seiner Klasse, der damals „Bescheid wusste“.


Zum Aufschreiben seiner Geschichte inspirierte ihn das Buch „Crazy“, das Benjamin Lebert im Alter von 17 Jahren geschrieben hat. Da habe er sich gefragt, wie sein Leben in dem Alter ausgesehen habe. „Mir wurde klar, wie falsch das damals alles gewesen ist. Für Jugendliche ist das heutzutage ja kaum mehr vorstellbar“, sagt Abshagen und fügt mit einem fast jungenhaften Grinsen hinzu: „Und ich habe zu der Zeit meine große Liebe Rose kennengelernt.“ Liebe war eben auch früher bei Jugendlichen ein wichtiges Thema. „Nein“, sagt Abshagen, „es war sogar das allerwichtigste Thema. Wichtiger als Führer, Volk und Vaterland!“


Buchtipp: Hans Ulrich Abshagen, „Generation Ahnungslos – Moment-aufnahmen eines 17-Jährigen ’44“, Zeitgut Verlag, Berlin, 9,80 Euro

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