Alice Junior
Die transidente Teenagerin, verkörpert von Bloggerin Anne Celestino Mota (links), muss gegen Prüderie und Engstirnigkeit kämpfen.

Junger Schmerz in 5, 4, 3, 2, 1… : Berlinale hat starke Jugendfilme im Programm

Paradise Drifters

In seinem Roadmovie „Paradise Drifters“ nimmt uns Mees Peijnenburg mit in den dunklen Sumpf von Drogen, Menschenhandel und dem Tod.

Als sich die Wege der ProtagonistInnen Yousef, Chloe und Lorenzo kreuzen, wollen alle drei einfach nur weg aus den Niederlanden, gen Südeuropa. Aus unterschiedlichen Gründen führt ihre Fahrt die jungen Erwachsenen über Frankreich bis nach Barcelona, Spanien.

Während der Europareise lässt sich die Entwicklung einer zarten Freundschaft beobachten – zwischen den drei Hauptfiguren aber auch zwischen ZuschauerInnen und ProtagonistInnen.

Regisseur Peijnenburg wirft das Publikum ohne Einleitung direkt in den Plot. Emotionen und die überzeugende schauspielerische Leistung der HauptdarstellerInnen stehen im Fokus und lassen die eigentliche Handlung in den Hintergrund rücken. Peijnenburgs Auge für Details und die langen Kameraeinstellungen fangen die Stimmungen gut ein und hinterlassen ein beklemmendes Gefühl bei den ZuschauerInnen.

Auch lebt „Paradise Drifters“ von der Stille. Musik und Worte werden nur sparsam eingesetzt. Der niederländische Filmemacher lässt die Bilder lieber für sich selbst sprechen. So bleibt jedoch vieles offen für Interpretationen. Das Publikum wird gefordert und die manchmal schnellen Szenenwechsel verlangen Konzentration.

Fazit: „Paradise Drifters“ entlässt seine ZuschauerInnen mit mehr Fragen als Antworten. Vielleicht ist es aber auch gerade das, was den Film ausmacht. Absolut sehenswert.

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Diesen Film könnt ihr noch sehen am …

29.2., 20:30 Uhr, Urania

White Riot

Der britische Dokumentarfilm „White Riot“ von Rubika Shah ist eine Zeitreise in die späten 70er-Jahre Großbritanniens.

Dass sich der Film den Titel mit der ersten Single der Punkband „The Clash“ teilt, ist kein Zufall. Shah beleuchtet in ihrer Dokumentation, wie Punkmusik die 1970er des Vereinigten Königreichs politisch prägte und sich als Antwort auf den wachsensen Einfluss der ultrarechten Partei „British National Front“ (NF) die Bewegung „Rock Against Racism“ (übersetzt: „Rockmusik gegen Rassismus“) formierte. Mit verschiedenen Veranstaltungen und Konzerten bezog „Rock Against Racism“ Stellung gegen rechte Gesinnung und die steigende Anzahl von rassistisch-motivierten Übergriffen. Unterstützung erhielt die Bewegung dabei von britischen Top-Stars wie Tom Robinson, Jimmy Pursey und den Bands „The Ruts“ und „The Clash“.

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„White Riot“ setzt toll die Ängste, Hoffnungen und den Willen der politischen AktivistInnen in Szene. Dabei arbeitet die australisch-britische Filmemacherinnen und Journalistin mit vielen Originalaufnahmen und alten Fotos. Neben einigen „Rock Against Racism“-Begründern treten sogar Tom Robinson und das ehemalige „The Clash“-Mitglied Nicky „Topper“ Headon vor die Kamera.

Auch wenn die Geschehnisse der Dokumentation über 40 Jahre her sind, behandelt diese ein auch heute aktuelles Thema, welches sich im Angesicht des diesjährigen EU-Austritts Großbritanniens und den jüngsten rechts motivierten Anschlägen in Deutschland von hoher Bedeutung zeigt.

Trotz der Brisanz der Thematik ist der Film aber besonders empfehlenswert für ZuschauerInnen, die ein gewisses Interesse für britische Musik- und Sozialgeschichte mitbringen.

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1.3., 15:30 Uhr, Filmtheater am Friedrichshain

YALDA, la nuit de pardon / Yalda, a Night for Forgiveness

Tief einatmen. Du musst um Vergebung bitten. Ausatmen. Du musst es gut tun, sonst wirst du sterben. Also zeig Reue in 5, 4, 3, 2, 1…

Der Moderator begrüßt zu einer neuen Folge der TV-Show „The Joy of Forgiveness“ („Die Freude am Vergeben“) – eine Show, die laut Berlinale in ähnlicher Form im Iran existiert. Zu Gast sind Maryam Komijani und Mona Zia. Die junge Maryam lebte mit Nasser – Monas Vater – in einer befristeten Ehe. Angeblich hat sie ihn ermordet. Jetzt droht ihr die Todesstrafe. Nur Mona kann sie retten. Wenn sie Maryam verzeiht, bezahlt die Show das Blutgeld.

Die Sympathie liegt bei Mona, während Maryam an ihren Erklärungen verzweifelt. Nassers Tot war ein Unfall, doch niemand glaubt ihr. „Kontrolliere deine Emotionen“, mahnt sie der Moderator.

Von Beginn an elektrisiert der Film. Keine Zeit zum Durchatmen. Die Ereignisse sind schlüssig, die Schauspieler authentisch. Regisseur Massoud Bakhshi hat vier Jahre lang am Drehbuch gefeilt. „Yalda“ greift diverse Themen auf, wertet aber nicht. Die Rolle der Frau im iranischen Gesetz und die Diskrepanz zwischen reicher Minderheit und der nach Gerechtigkeit schreienden Unterschicht werden angedeutet.

Fazit: Der Film ist eine sehenswerte und authentische Abbildung des Status Quo, die den Zuschauer mit geballten Fäusten zurücklässt.

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28.2., 13 Uhr, Urania
29.2., 14 Uhr, CinemaxX1

Kaze No Denwa / Voices in the Wind

Im Wind wehen die Stimmen der Vergangenheit. Im Wind findest du die Antwort auf die Frage die du suchst. Dennoch schweigt der Wind.

Haru steht kurz vor dem Schulabschluss. Doch für ihre Zukunft interessiert sie sich nicht. Als ihre Tante ins Krankenhaus kommt, flieht sie aus Hiroshima in ihren Heimatort Otsuchi. Dorthin, wo sie ihre Familie und ihr altes Leben durch das Tohoku-Erdbeben und den Tsunami 2011 verlor.

Wie ein Blatt folgt sie dem Wind wohin er sie auch treibt. Warum hat sie als einzige überlebt? Angsterfüllt und ohne Willen erscheint sie wie ein lebloser Körper. Als sie ihr Ziel erreicht, wird sie von Trümmern empfangen. „Ich bin Zuhause!“, ruft Haru, „Wo seid ihr? Warum begrüßt ihr mich nicht?“.

Der Titel „Kaze no Denwa“ bezeichnet ein Windtelefon, welches sich in einem Telefonhäuschen in Otsuchi, Japan befindet. Nach der Katastrophe 2011 wandten sich viele Überlebende an das Telefon, um mit den Toten zu reden. Auch Haru sucht dieses Telefon auf, um ihren Frieden zu finden.

Mit jedem Schritt, mit dem sich Haru ihrer alten Heimat nähert, wird ihr Schmerz tiefer. Am Ende sind es die Begegnungen, die sich macht, die den Zuschauer berühren.

Fazit: Ein emotionaler Film mit langem Atem.

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27.2. 16 Uhr, Urania
1.3., 20 Uhr, Cubix 8

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Kategorien Film & Fernsehen Instagram Kultur Medien

Immer auf dem Sprung zu neuen Themengebieten möchte ich die Gegebenheiten der Welt aufdecken. Was ich da machen kann? Schreiben! Schreiben, über den Sinn des Lebens. Schreiben, über UN-Konventionen und Kinderschokolade. Schreiben, über die täglichen Erfahrungen eines ehemaligen Mitgliedes von Scientology. Mit großer Leidenschaft zur Recherche versuche ich die Welt besser zu verstehen und möchte alle Leser daran teilhaben lassen. Spreewild nutze ich dabei gerne um Themen anzusprechen, die im gesellschaftlichen Salon absichtlich vergessen bleiben. Das Unausgesprochene aussprechen. Die Tatsachen auf den Tisch packen. Das ist für mich Journalismus.