Am 25. Februar startet „Mustang“ – ein Kinofilm über die Unterdrückung türkischer Mädchen und ihren Kampf um Selbstbestimmung
Ein letzter Schultag vor den Sommerferien wie aus dem Bilderbuch: Fünf Schwestern tollen im Meer herum, klettern ausgelassen auf die Schultern ihrer Mitschüler. Nicht nur das lange Haar der Mädchen erinnert an die nordamerikanischen Wildpferde, die dem Film seinen Namen gaben. Sie sind temperamentvoll, übermütig. Doch das harmlose Spiel führt zum Eklat. Denn in ihrem abgeschiedenen türkischen Heimatdorf kollidiert weiblicher Lebensdurst mit dem männlich dominierten Rollenbild.
Von nun an wird das idyllische Holzhaus der Schwestern zum Gefängnis. Ihr Onkel und Vormund setzt alles daran, sie in das enge Sittenkorsett seiner konservativen Wertevorstellungen zu zwängen. Statt Surfen im Internet, Musik und Literatur sind „Hausfrauenpflichten“ an der Tagesordnung. Bunte Kleider weichen einer züchtigen, braunen Leinenkluft. Eine Computertastatur wirkt wie ein entfremdetes Requisit. Bis man wieder realisiert, dass der Film im 21. Jahrhundert spielt. Die Aktualität der Problematik ist erschreckend. Bald stehen die ersten arrangierten Ehen ins Haus. Im ländlichen Südosten der Türkei ist das verbotenerweise auch für Minderjährige noch immer gängige Praxis.
Aus der Perspektive von Lale – die Jüngste der Schwestern ist vielleicht elf Jahre alt – erzählt „Mustang“ voller Lebensmut von der jugendlichen Rebellion gegen antiquierte und frauenverachtende Traditionen. Trotz aller Dramatik auf der Handlungsebene bestimmen leuchtende und positive Bilder die Ästhetik des Films, in der kraftvollen Musik schwingt Hoffnung. Regisseurin Deniz Gamze Ergüven inszeniert die Mädchen nicht als passive Opfer der Verhältnisse. Sie zeigt sie als aktiv Aufbegehrende. Und mit all den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen sie um das, was ihr Leben ausmacht. Einfallsreich. Unermüdlich mutig. Zugleich zeichnet „Mustang“ kein verallgemeinertes Bild der türkischen Gesellschaft, das Männer und Frauen als Stereotype auftreten lässt. Andere Mädchen dürfen zur Schule gehen, düsen in Hotpants zum nächsten Fußballspiel. Auch die Lehrerin ist eine moderne, aufgeklärte Frauenfigur. Und selbst unter den Männern gibt es unterstützende Tendenzen. Nicht ohne Grund ist die französischdeutsch- türkische Co-Produktion jetzt als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert.