Die Jungs von „Von Wegen Lisbeth“beim Photoshooting für ihr neues Album
Die Jungs von „Von Wegen Lisbeth“ beim Photoshooting für ihr neues Album.
Interview

Von Wegen Lisbeth: „Es war nie der Plan, ein Livealbum rauszubringen“

Der Festivalsommer fällt dieses Jahr Corona bedingt aus. Und damit fallen auch alle Live-Auftritte der Berliner Band Von Wegen Lisbeth ins Wasser. Stattdessen brachte die Band nun ihr erstes Live-Album heraus. Warum das nicht geplant war, Langeweile nicht zwangsläufig kreativ macht und sie lieber drei Mal im kleinen Club um die Ecke als in der Mehrzweckhalle spielen, hat uns Sänger Matthias „Matze“ Rohde im Interview verraten.

Hallo Matze, wie geht es dir?

Och, ganz gut eigentlich.

Bist du nicht gelangweilt wegen Corona?

Ja, schon, ich bin schon heftig gelangweilt. Aber ich mag eigentlich Langeweile. Von daher genieße ich es teilweise sogar.

Macht Langeweile denn kreativ?

Äh, ja, angeblich. Aber das setzt einen auch so ein bisschen unter Druck, weil jetzt alle denken: Boah, du kannst ja jetzt mega kreativ sein. Das nervt mich schon wieder total. Aber es ist tatsächlich ein ganz angenehmer, produktiver Zustand.

Von Wegen Lisbeth hätte diesen Sommer auf einigen Festivals gespielt. Auch euer eigenes Open Air im August in Dresden wird jetzt ausfallen. Nervt dich das?

Ja, das nervt total.  Das ist schon richtig kacke einfach. Wir haben uns voll darauf gefreut. Die Festivalsommer sind sowieso immer mega geil. Seit vier oder fünf Jahren machen wir das jeden Sommer und jetzt können wir das ganze Jahr auf keinem einzigen Festival spielen. Das ist schon richtig, richtig blöd.

„Livealben bringen Bands raus, die nicht mehr wissen, was sie noch machen sollen.“

sagt Matze von Von Wegen Lisbeth

Immerhin habt ihr jetzt einen anderen Grund zur Freude: Am Freitag ist euer neues Album erschienen, ein Live-Mitschnitt aus der Columbiahalle. Bisher habt ihr erst zwei Alben rausgebracht. Jetzt folgt schon ein Livealbum. Das ist doch ein bisschen ungewöhnlich, oder?

Ja, genau (lacht). Das dachte ich auch, ehrlich gesagt. Ich finde, Livealben bringen Bands erst raus, nachdem sie schon fünf Alben und zehn Jahre auf Tour waren und nicht mehr wissen, was sie sonst machen sollen. Wir hatten das gar nicht direkt vor. Wir hatten diese beiden Shows in der Columbiahalle einfach mal aufgenommen und dachten uns so: Gut es zu haben und vielleicht haben wir dann ein cooles Video für YouTube. Irgendwann fanden wir dann das ganze Ding so cool, dass wir dachten: Lass doch als Platte machen! Aber es war jetzt nie der Plan, ein Livealbum rauszubringen.

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Was macht diese Platte dann so besonders?

Live ist die Musik natürlich ein völlig anderes Erlebnis. Und das wird auf der Platte total deutlich. Es ist ein einzigartiges Live-Gefühl. Dazu kommen noch Videos bei Apple Music und YouTube raus.

Euer Konzert in der Columbiahalle war der krönende Abschluss eurer Britz-California-Tour. Wolltet ihr mit dem Album den Höhepunkt eurer bisherigen musikalischen Karriere für immer festhalten?

(lacht) So habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber vielleicht ist es so. Wobei… Ich würde es jetzt nicht als Höhepunkt unserer musikalischen Karriere sehen. Das glaube ich nicht. Aber klar, ist es natürlich eine schöne Erinnerung. In der Columbiahalle zu spielen war schon immer der Traum für uns. Und dann ist es natürlich cool, genau das aufgenommen zu haben. Aber es ist wie gesagt eher zufällig passiert, nicht mit Intention.

„Ich check erst jetzt, wie groß das eigentlich war.“

sagt Matze über die Blitz-California-Tour

Die Britz-California-Tour war bisher eure größte Tour. Sie ging über sechs Wochen. Wie hat sich das so angefühlt?

Es war schon ziemlich absurd. Ich krieg das dann immer erst so ein bisschen später mit. Ich check erst jetzt, wie groß das eigentlich war: Wir waren mit mehreren Autos, Nightlinern, LKWs und so einer riesigen Crew unterwegs. Und dann auch noch so viele Leute, die uns sehen wollten auf den Konzerten. Das ist eigentlich alles völlig absurd. Aber während man auf Tour ist, ist alles so aufregend und man checkt das nicht so richtig. Ich brauch dann immer ein bisschen, um das zu realisieren. Du hast auf Tour immer drei, vier Tage Konzert und dann einen Tag Pause. Das war auf jeden Fall schon völlig crazy.

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Krass. Das muss super anstrengend sein.

Ja, aber es ist ja auch super schön. (lacht) Es macht extrem viel Spaß. Auf Tour zu gehen ist schon ein Traum, deswegen macht man das ja.

Die Columbiahalle in Berlin ist eine große Halle, auf anderen Stationen eurer Tour spielt ihr noch eher in kleineren Clubs. Ist es euer Plan in ganz Deutschland die großen Hallen zu füllen?

Das würde ich nicht sagen. Das kommt ein bisschen darauf an: Wir würden uns jetzt nicht dagegen wehren, wenn immer mehr Leute uns hören wollen, aber ich glaube irgendwann wird’s auch einfach nicht viel größer. Und irgendwie ist es teilweise auch schöner in einem kleinen Laden zu spielen als in der großen Halle. Wir haben das diese Tour schon so gemacht, dass wir gesagt haben, wir wollen lieber dreimal in dem kleinen Laden spielen als einmal in der Basketballarena. Weil das Konzerterlebnis dann viel geiler ist. Das macht einfach mehr Spaß in so einem kleinen Laden.

„es ist eng, es ist schwitzig, es tropft von der Decke“

genau so liebt Matze seine Konzerte

Warum macht es mehr Spaß?

Es ist mehr Konzertfeeling: es ist eng, es ist schwitzig, es tropft von der Decke. Es ist mehr Clubatmosphäre. Und in so einer Mehrzweckhalle denkst du dann: Okay, hier trainiert der BSV Bamberg und spielt Handball. Und irgendwie kommt dann nicht so richtige Konzertatmosphäre auf.

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Bleiben wir bei der Konzertatmosphäre: Über Berliner wird manchmal gesagt, dass sie sich auf Konzerten nicht so schnell begeistern lassen. Wie sind da deine Erfahrungen?

Also bei uns sind Konzerte in Berlin sehr cool. Die Leute gehen immer sehr ab. Aber ich kann es auch nicht so richtig beurteilen, weil ich bei Konzerten in Berlin immer so aufgeregt bin, weil da immer so viele Leute da sind, die ich kenne: Freunde, Familie. Und dann sehe ich das alles eh immer ein bisschen anders. Aber ich glaube, ich könnte das jetzt so nicht bestätigen, dass sich Berlin so besonders cool und lässig gibt.

„Irgendwann meinte mal so ein Manager-Dude zu uns: ‚Ey Jungs, ich finde eure Mukke echt cool, aber ihr müsst auf der Bühne weniger trinken.‘ Dann waren wir wütend.“

beschreibt Matze die Anfänge der Band

Im Oktober letzten Jahres hatte der Stern über euch geschrieben: „Auf diese Band hat die deutsche Popmusik lange gewartet.“

(lacht) Das hat der Stern geschrieben? Wow, das habe ich gar nicht gelesen.

Auch bei uns wart ihr schon einmal im Interview, als 2016 euer Debüt-Album „Grande“ erschien. Wie würdest du heute die Lisbeths von früher beschreiben?

Ganz früher waren wir halt so eine komplett chaotische Schüler-Punk-Band. Wir haben nur Musik zum Spaß, für niemand anderen außer uns gemacht, weil wir das so lustig fanden. Und irgendwann haben wir dann immer mehr Mukke gemacht und auch viel Zeit im Keller verbracht. Dann wurde es ein bisschen ernster. Wobei wir so früh auch noch sehr verplant und viel besoffen waren. Irgendwann meinte mal so ein Manager-Dude zu uns: „Ey Jungs, ich finde eure Mukke echt cool, aber ihr müsst mehr proben und ihr müsst auf der Bühne weniger trinken. Das ist ein komplett chaotischer Haufen, das geht so nicht.“ Das war das erste Mal, dass ein Mensch aus der Musikindustrie Kontakt zu uns aufgenommen hatte, nachdem er ein Konzert von uns irgendwo in Treptow kam. Und danach waren wir so wütend auf diesen Typen. Wir dachten: Boah, dieser scheiß Manager-Dude, der kann uns mal! Und dann haben danach tatsächlich angefangen, sehr diszipliniert zu proben, ums ihm so ein bisschen zu zeigen. Ja, wir waren schon ein ziemlicher Chaos-Haufen. Und selbst 2016 waren wir noch ein bisschen so. Da hatte das ja gerade erst angefangen. Wir waren halt jung, weißte. (lacht) 

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Früher habt ihr in Jugendclubs gespielt und heute seid ihr Headliner. Das klingt schon nach dem Tellerwäscher, der zum Millionär wurde. Wird euch eure bescheidene Vergangenheit davor bewahren, dass eure Musik mit stetig wachsendem Erfolg nach klassischem Mainstream-Pop klingt?

(lacht) Wir vergessen halt nie wo wir herkommen. Die Straße immer im Herzen. (lacht) Ob das jetzt Einfluss darauf hat, wie man Musik macht, weiß ich gar nicht. Aber es hat, glaube ich, schon einen Einfluss darauf, wie wir das alles erleben und wie wir damit umgehen. Weil wir jahrelang so rumgekrebst sind und auch alles selbst gemacht haben. Das klingt sehr kitschig, aber das vergisst man wirklich nicht. Und deswegen können wir das ganz gut einordnen. Auch, was es dann bedeutet, wenn auf einmal so viele Leute auf ein Konzert kommen. Früher haben wir für jede einzelne Person, die zum Konzert kommt, eine SMS geschrieben: „Hallo, ich spiele morgen mit meiner Band in der Weißen Rose, willst du bitte, bitte vorbeikommen?“ Wenn man das alles durchgemacht hat, kann man das schon sehr schätzen, wie es gerade ist. Das ist schon sehr schön.

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Ihr kennt euch alle schon seit eurer Schulzeit. Im Interview mit Spreewild von 2016 hattet ihr erwähnt, dass ihr euch gegenseitig disst, um euch zu ertragen. Hat sich das mittlerweile geändert? Oder könnte man jetzt eure Tourbus-Gespräche veröffentlichen?

Ne, definitiv nicht. (lacht). Also es hat sich ein bisschen verändert. Wir haben mit jeder Person so einen eigenen Humor entwickelt, wo du dich die ganze Zeit wegdissen kannst, aber du verstehst halt den Sarkasmus des anderen. Man hat eine eigene Art zu kommunizieren, die andere Leute so nicht ganz raffen würden, wenn sie da von außen reinkommen würden. Für uns fühlt sich das völlig normal an.

Das Interview führte Zora Günther.

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