Rapper MoTrip (rechts) mit Lary und Dirigent Jimek. Foto: Sascha Haubold

Derbe was los im Konzerthaus: MoTrip tritt mit Orchester auf

Selten war das Publikum im Konzerthaus so jung wie am Mittwochabend. Und wohl noch nie trugen so viele Gäste Basecap. Der Grund: MoTrip rappte im großen Saal, begleitet wurde er dabei vom Konzerthausorchester. Und also wäre das nicht kurios genug, hatte der Rapper libanesischer Herkunft neben Adel Tawil und Lary auch noch Haftbefehl dabei. Wer denkt, das passt nicht, der irrt. Das Konzert war nicht nur von hoher musikalischer Qualität. Auch das Zusammenspiel zwischen Hip Hop und Orchester überzeugte. Möglich war das nicht zuletzt dank JIMEK. Der 29-jährige, polnische Komponist und Dirigent hatte MoTrips Songs orchestral arrangiert. Die Köpfe des Publikums wippten. Beim letzten Song wurde getanzt. Standing Ovations, sogar im Oberrang. Derbe was los, könnte man sagen. Wir sprachen mit Sebastian Nordmann, Intendant des Konzerthauses Berlin, über den einzigartigen Abend.

MoTrip im Konzerthaus. Ein Gastauftritt von Haftbefehl. Hatten Sie Angst, das Publikum könnte sich für das Konzerthaus unangemessen benehmen und etwa auf die schönen, gepolsterten Stühle springen?
Nein, Bedenken hatte ich nicht. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass jeder, der in diesem Saal ist – gleich welchen Alters oder welcher Herkunft – immer etwas Ehrfurcht hat. Jeder benimmt sich, das finde ich interessant. MoTrip hat seine Titel ja immer angekündigt. Gelegentlich gab es ein paar Zwischenrufe und dann war es das junge Publikum, das „pssst“ gemacht hat, fast wie ein älteres Klassikpublikum. Die Leute haben wahrgenommen, dass es nicht das normale Popkonzert war sondern eine besondere Atmosphäre. Wir wollen ja gar nicht, dass das Publikum mucksmäuschenstill dasitzt. Aber man muss sich ja doch benehmen. Das passiert aber von allein.

Wie hat das Orchester reagiert, als es von dem Plan erfahren hat, zusammen mit einem Rapper ein Konzert zu geben? Es ist doch sicher nicht leicht, alle Musiker davon zu überzeugen, oder?
Das hängt stark davon ab, wie man das Ganze vermittelt. Die Orchestermusiker haben studiert, wie man eine Geige hochqualifiziert spielt. Und nun kommt ein Intendant mit so einer Idee. Als ich vor ein paar Jahren das erstes Projekt dieser Art vorgestellt habe, Recomposed by Matthew Herbert, war die Skepsis noch groß. Mittlerweile gab es mehrerer solcher Projekte und das Orchester weiß, dass wir das ernst meinen und qualitativ ernst durchführen. Wenn ein Orchester merkt, dass es nicht nur im Hintergrund spielen soll sondern großartigen Künstlern anderer Genres auf Augenhöhe begegnet, dann haben sie auch Lust. Deswegen kommt dafür Jahr für Jahr, gerade auch bei den jungen Musikern die damit aufwachsen, mehr und mehr Begeisterung dafür auf. Es gibt keine großen Hemmschwellen mehr.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Sind solche Projekte auch Versuche, junge Menschen ins Konzerthaus zu bekommen?
Für mich ist ein älterer Mensch genauso wichtig wie ein jüngerer, wenn er die Musik liebt. Wir müssen uns aber natürlich um den Nachwuchs kümmern. Mir geht es bei den Jungend- und Kinderprojekten die wir machen eher darum, dass sich alle bei uns im Haus wohlfühlen, die einen Kontakt zum Konzerthaus suchen. Und dass sie sich wiederfinden. Wir werden nicht für das junge Publikum anbiedernd ein bestimmtes Programm machen. Das ist nicht das Ziel. Wir wollen gute Musik spielen. Und dann finden mal jüngere und mal ältere Menschen zu uns. Die Auslastungszahlen und auch der Altersdurchschnitt zeigen, dass wir keine Überalterung der klassischen Musik haben. Es kommen junge Menschen nach. Aber trotzdem muss man sie auch heranführen.

Wie kam es zu diesem Projekt?
Ich habe schon immer versucht auszuloten, was Klassik im 21. Jahrhundert ist. Im 19. Jahrhundert war klassische Musik ganz klar umschrieben. Heute ist viel dazugekommen, wenn wir die ganzen Unterkategorien wie Jazz, Pop, Rock bedenken. Es gibt nicht mehr die E- und die U-Musik. Die Grenzen verschwimmen. Mir geht es darum herauszufinden, was mit einem solchen Orchester machbar ist. Das Resultat muss natürlich von höchster Qualität sein. Das Orchester soll ja nicht gelangweilt sein und sagen, sie mussten immer den gleichen Ton spielen und einen Streicher-Teppich-Sound erzeugen. Bei Jimek war mir klar, dass er, dadurch, dass er Dirigieren und für ein klassisches Orchester Komponieren kann, diese Welten zusammenbringen kann. Solche Menschen suche ich, die Ahnung von beiden Seiten haben. Sonst begegnen sich zwei Welten, die nicht miteinander verschmelzen. Das hat aber geklappt. Es war auf Augenhöhe.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Es wird derartige Projekte also durchaus öfters geben?
Unbedingt. Das Kernrepertoire wird natürlich weiterhin die große, klassische Musik sein. Aber gerade die zeitgenössische Musik zeigt, dass man mit Rhythmus vielfältig umgehen kann. Wir dürfen nicht vergessen, dass es jahrhundertelang nur eine europäische Musikgeschichte gab. Mittlerweile sprechen wir von einer Weltgeschichte, in die amerikanischer Boogie-Woogie, asiatische Klänge und vieles mehr reinspielen. Das war auch der Grund, warum wie vor einigen Jahren die Reihe Klazzik gegründet haben, in der wir ausprobieren, was heute alles zu klassischer Musik dazugehört. Der Saal ist immer voll, das ist erstaunlich. Eine solche Definition eines Konzerthauses Berlin finde ich schon spannend.

Wie lange haben die Musiker an diesem Konzert mit MoTrio geprobt?
Die Einzelstimmen wurden zuvor an die Musiker verschickt, jeder hat zu Hause geübt. Gemeinsam haben wir dann vier Tage lang geprobt.

Die Musiker sind Profis, die von Blatt spielen können. War dieses Konzert für die dennoch eine Herausforderung?
Technisch gab es keine Probleme. Die Herausforderung war vielmehr, die Musiker mit MoTrip und den Schlagzeugern zusammenzuführen. Dass alles einen Klang ergibt. Das auf den Punkt zu bekommen, bedarf einer unglaublichen Koordination zwischen MoTrip, dem Orchester und den Schlagzeugern. Das hat seine Zeit gebraucht.

Kannten Sie Haftbefehl und kannte das Orchester den Rapper?
Nein, fast niemand. Die Künstler waren aber sehr zugänglich, sie haben sich keinesfalls abgeschottet sondern standen in den Pausen mit den Musikern zusammen. Man ist schnell zusammengewachsen. Nach dem Konzert haben viele Musiker Selfies mit MoTrip gemacht. Sie hatten Spaß zusammen und haben lange gefeiert. Vergangene Woche hat das Konzerthausorchester Bruckner gespielt, diese Woche MoTrip und nächste Woche Bartók. Das ist schon ein hoher Anspruch an das Orchester. Aber sie wollen das, zeigen, welche Bandbreite sie abdecken können.

Das könnte Dich auch interessieren

  • Theater

      Theater: Die 8. Klasse der Freien Waldorfschule Berlin Mitte hat sich…

  • Meldung

    Wettbewerb: Noch dieses Wochenende läuft das Online-Voting der Beiträge zum Jugendkunstwettbewerb Vattenfall…

  • Meldung

    Literaturfestival: Vom 4. bis 15. September findet das Internationale Literaturfestival Berlin statt.…

Kategorien Konzerte Kultur

Seit nunmehr knapp vier Jahren habe ich das große Vergnügen, die Jugendredaktion der Berliner Zeitung leiten zu dürfen. Täglich darf ich mit schlauen, wissbegierigen und extrem talentierten jungen Menschen zusammenarbeiten und dieses Newsportal mit frischen Artikeln bestücken. Ich selbst war zuvor übrigens unter anderem beim Tagesspiegel tätig und habe für den dpa-Themendienst geschrieben. Mein Volontariat habe ich bei Raufeld Medien und Cicero Online absolviert. Achso, an der FU habe ich Politik sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studiert – wie irgendwie fast alle halt.