Am Freitag erscheint Alligatoahs neues Album „Musik ist keine Lösung“. Wir haben den Wahlberliner getroffen.
Sein letztes Album „Triebwerke“ erhielt die Goldene Schallplatte, nun kommt der lang erwartete Nachfolger „Musik ist keine Lösung“. Fast jedes gesellschaftliche Problem nimmt Rapper Alligatoah hier aufs Korn. Wir trafen das Multitalent in Berlin.
Dein neues Album hat einen ziemlich ungewöhnlichen Titel …
Ein Paradoxon, denn es ist ja voller Musik. Was will uns der Künstler damit sagen? (lacht) Es ist eine Aussage, die man unter jeden Song des Albums setzen könnte und damit eine eher düstere Weltsicht fördert – die nicht meine ist, die aber in diesem Album in den vielen Themen steckt. Musik scheint dafür keine Lösung zu sein, muss sie aber vielleicht auch nicht.
Wie lange hast du daran gearbeitet?
Ich habe im Januar angefangen. Am 28. September, meinem Geburtstag, habe ich die letzten Aufnahmen gemacht. Leute haben angerufen, um mir zu gratulieren, und ich musste das Handy ausmachen, weil ich im Studio stand. Aber es hat sich gelohnt.
Dein letztes Album „Triebwerke“ war sehr erfolgreich. Hast du Angst, dass der Nachfolger weniger erfolgreich wird?
Selbst wenn es nicht so erfolgreich wird, wäre das nicht negativ zu werten. Der Erfolg passiert in dem Moment, in dem ich das Album abschließe. Was jetzt noch kommt, ist Bonus.
Die neuen Songs sind zum Teil sehr gesellschaftskritisch …
Ich habe einfach gemerkt, dass gerade viele solcher Themen bei mir im Kopf brodeln, die ich gerne behandeln möchte. So kam es dazu.
Du machst vieles selber, sogar die Videos. Warum dieser Stress?
Weil Alligatoah nicht nur Musik ist. Es ist ein Gesamtkunstwerk. Dazu gehören eben auch Grafiken, die meinen Ideen entsprechen, dazu gehört Artwork, dazu gehören Videos. Gerade der Videobereich ist mir sehr wichtig, weil ich vor der Musik mit Videos und Filmen angefangen habe und es mir große Freude macht, einem Lied die passenden Bilder zu verleihen.
Woher nimmst du die Ideen für Musikvideos wie „Lass liegen“, das unsere Wegwerfkultur behandelt?
Ich schreibe die Texte so, dass man beim Hören schon Bilder in den Kopf bekommt. Wenn ich mir ein Video zu einem Song ausdenke, versuche ich allerdings, Bilder zu zeigen, auf die man nicht im ersten Moment kommen würde, sondern dem Ganzen eine zusätzliche Ebene zu geben.
Du hast zwei Alter Egos erschaffen, den DJ und den Rapper. Mit wem verbringst du mehr Zeit?
(lacht) Ich habe mehr mit dem Rapper zu tun, weil er den größeren Teil meines Schaffens einnimmt. Kaliba 69, so heißt er, arbeitet auf der Bühne, beim Texteschreiben und beim Aufnehmen. DJ Deagle, der Produzent, ist nur dann tätig, wenn ich in meinem Studio sitze und die Gitarre einspiele oder den Beat produziere. Was natürlich auch ein wichtiger Teil der Musik ist, aber er nimmt einfach weniger Raum ein.
Du bist nach dem Abi nach Berlin gezogen. Die richtige Stadt für dich?
Über Berlin wird gerne abfällig geredet: Berlin als Hype-Stadt, als Stadt der Künstler und Möchtegern-Künstler. Berlin ist so wie Schule: Man kann es scheiße finden oder man macht was draus. Ich habe beschlossen, was draus zu machen.
Weil wir gerade von Schule sprechen: Du warst doch bestimmt der Klassenclown.
Ich war nicht hibbelig, eher unscheinbar. Ich habe nicht viel gesagt, weil ich immer wollte, dass es Substanz hat. Das ging damals schon los.
Interview: Julia Womser, 25 Jahre