Foto: Gerd Metzner

„Als mein Lied lief, baute ich fast einen Autounfall“

Sein Song „Wolke 4“ machte ihn fast über Nacht berühmt. Wir trafen Philipp Dittberner zum Interview

Ein junger Musiker aus Berlin nimmt in seinem Zimmer einen Song auf und stellt ihn online. Ein Hannoveraner Elektro-Musiker entdeckt ihn und mischt ein paar Beats darunter. Die Single schlägt ein wie eine Bombe. Es folgen ausverkaufte Konzerttouren und Gold. Am Freitag veröffentlichte Philipp Dittberner sein erstes Album „2:33“.

Hättest du mit dem Erfolg gerechnet, als du „Wolke 4“ geschrieben hast?
Eher nicht. Marv und ich haben ohne großartige Technik einen Song zu Hause in unseren kleinen Ein­zimmer­buden aufgenommen, haben versucht, das Beste rauszukitzeln, und das hat halt funktioniert. Wenn mir das jemand vor einem Jahr gesagt hätte, hätte ich ihm nicht geglaubt. Es ist für mich auch jetzt noch nicht wirklich real.

Wie kamst du überhaupt zur Musik?
Ich habe früher Tennis gespielt, war im Sommer auf Turnieren. Dann fiel ich wegen einer Verletzung aus und konnte gar nichts mehr machen. Ich habe aber damals schon sehr gitarren­lastige Musik gehört und wollte das nachspielen können. Das war so mit 14 Jahren.

Warum hast du dich erst im vergangenen Jahr entschieden, beim Berliner Pilsner Music Award teilzunehmen – den du ja gewonnen hast?
Aufgetreten bin ich schon früher, mal vor 60, mal vor 70 Leuten, mehr Freunde als Fremde. Dann ging es mit „Wolke 4“ los, und es die ersten Labels haben sich gemeldet. Beim Award wollte ich dann eigentlich gar nicht mitmachen. Aber Freunde haben gesagt, dass ich gefälligst teilnehmen soll, und dann habe ich irgendwann nachgegeben. Es war eine schöne Zeit, hinsichtlich des Erfolgs der Sin­gle hatte es aber keine Auswirkungen.

Also glaubst du, dass es ohne den Wettbewerb genauso gelaufen wäre?
Ich denke, ja. Ich hatte den Plattenvertrag mental schon unter­schrieben.

Sind die Chancen, entdeckt zu werden, in Berlin besonders hoch?
Ich glaube nicht, dass es was mit der Stadt zu tun hat, sondern eher damit, was du machst, wie du bist. Es gibt einfach so viele Gegen­beispiele von Bands, die aus den kleinsten Kaffs kommen und jetzt die größten Städte bespielen. Als Netzwerk, um Kontakte zu knüpfen, Leute kennenzulernen und viel zu spielen, ist Berlin auf jeden Fall nicht verkehrt, weil die Musik­industrie ja mehr oder weniger hier sitzt. Aber hier wartet keiner auf dich. Die Ellbogen sind sehr, sehr spitz. Es gibt viele gute Leute, die nicht genommen werden, weil die Labels keine Konkurrenz zu ihren eigenen Künstlern hochziehen wollen. Berlin ist eine tolle Stadt, und ich kann jedem raten, hierherzu­kommen. Aber es ist nicht einfach.

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Im Juni erhielt Philipp Dittberner für „Wolke 4“ eine Goldene Schallplatte. Geschrieben hat der Berliner den Song aber bereits Anfang 2014. Foto: GERD METZNER

Fritz hat „Wolke 4“ nach deinem Sieg viel gespielt. Wie war es für dich, dein Lied im Radio zu hören?
Das war eine surreale Situation. Ich bin mit Fritz groß geworden, und umso wichtiger war es für mich, da zu laufen. Ich hätte mit dem Auto fast einen Unfall gebaut, als ich zum ersten Mal mein Lied gehört habe. Ich hab zwei Mädels total die Vorfahrt genommen. Die waren tierisch sauer, haben mich dann auch beschimpft und beleidigt, aber mir war das egal, weil das Lied im Radio lief.

Wann schreibst du deine Songs am liebsten?
Es ist ja quasi schon mit dem Titel des Albums verraten, dass ich fast immer nachts schreibe, und komischerweise auch häufig um 2.33 Uhr. Das ist meine Zeit. Das ist natürlich bitter für die Nachbarn. Ich hatte aber eine ziemlich coole Nachbarin, die immer nebenan im Schaukelstuhl gesessen und zugehört hat. Ich hab mich dann auf einmal total beobachtet gefühlt, weil ich dachte: Oh Gott, meine Nachbarn hören zu. Hoffentlich ist das gut, was ich mache. Vielleicht gehe ich mal rüber und frag, wie’s ankommt.

Du gehst bald wieder auf Tour. Wo­rauf freust du dich besonders?
Ich freue mich immer auf die Menschen, weil die von Stadt zu Stadt unterschiedlich sind. Das ist total spannend zu sehen. Jede Stadt freut sich auf eine eigene Art und Weise und geht mit dir als Künstler anders um. Ich bin gespannt, wie die Leute reagieren, wenn das Album rauskommt. Ich mag es auch immer, wenn das Publikum bei den Konzerten ein bisschen mitgeht. Darauf hoffe ich sehr.

Gibt es auch etwas, wovor du Angst hast?
Ich war nie der große Fernweh-Mensch. Ich hab mich hier in Berlin immer ganz wohl­gefühlt und war nie so wahnsinnig erpicht darauf, die Welt zu sehen oder zehn Jahre in Indien abzuhängen und mir danach zu überlegen, was ich mache. Deshalb ist es manchmal nicht so einfach für mich, wenn ich mit Off-Days 45 Tage am Stück auf Tour bin. Ich war immer eher so der Typ, der gerne da ist, wo er hingehört.

Interview: Friederike Deichsler, 19 Jahre

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„Wenn Sie Journalistin werden wollen, sind Sie in diesem Studiengang falsch“, hörte ich im ersten Semester nicht nur einmal. Trotzdem habe ich mittlerweile, mit 22, meinen Abschluss – und arbeite stetig daran, den Zweiflern das Gegenteil zu beweisen. Denn das Schreiben lasse ich mir nicht mehr wegnehmen. Es ersetzt für mich rauschzustandsauslösende Substanzen, es ist mein Ventil, wenn die Gedanken zu laut schreien und kein Platz für ekstatisches Tanzen ist. Schreiben kann ich über all das, wonach niemand fragt, was im Gespräch niemand von mir wissen will. Am spannendsten ist aber, anderen Menschen zuzuhören und ihre Geschichte zu erzählen.