Misstrauen gegen die Mandel-Limetten-Torte

Vegetarische Ernährung kann auch lustig sein. Nicht immer bedeutet der Verzicht auf eine Zutat einen Verlust.  Foto: DPA/ Frederik von Erichsen
Vegetarische Ernährung kann auch lustig sein. Nicht immer bedeutet der Verzicht auf eine Zutat einen Verlust.
Foto: DPA/ Frederik von Erichsen

Ab Freitag steigt das Vegan-Vegetarische Sommerfest. Besonders Jugendliche interessiert fleischlose Ernährung

Von Corinne, 18 Jahre

Neben dem Deutsch-Französischen und dem Deutsch-Amerikansichen Volksfest darf in Berlin, der veganerfreundlichsten Stadt Deutschlands, ein Vegan-Vegetarische- Sommerfest nicht fehlen. Vom 29. bis 31. August findet es am Alexanderplatz statt. Dort werden Musiker und Köche auf einer Showbühne die Besucher unterhalten, während in einem Festzelt Tierrechts- und Ernährungsorganisationen Informationsstände aufgebaut haben. Tatsächlich liegt der Fokus der Veranstaltung fast stärker auf Veganismus als auf Vegetarismus. So wird es ein veganes Büfett geben, das wie in den vergangenen sechs Jahren von Früchtekuchen bis zu indischem Curry alles bietet, was Herz und Magen begehren, solange es nur frei von tierischen Produkten wie Fleisch, Fisch, Milch, Eiern und Honig ist.

Wahrscheinlich wird man am kommenden Wochenende auf dem Alexanderplatz also noch sehr viel mehr junge Menschen sehen als normalerweise. Denn besonders unter Jugendlichen sind der Verzicht auf Fleisch, also die vegetarische Lebensweise oder sogar der völlige Verzicht auf Tierprodukte, also die vegane Ernährung beliebt. So sind laut einer Studie der Universität Jena fast 15 Prozent aller Vegetarier in Deutschland zwischen zehn und 19 Jahren. Die meisten von ihnen sind demnach Mädchen. Und die meisten leben in einer Großstadt. Dass auch Prominente wie Woody Harrelson, Mike Tyson und Natalie Portman kein Fleisch essen, hat nicht dazu beigetragen, die Vorurteile gegen Vegetarier oder gar Veganer abzubauen. Auch dazu will das Sommerfest einen Beitrag leisten.

Starke Veganer

Denn schon ziemlich früh müssen sich Jugendliche ein einigermaßen dicke Haut zulegen, wenn am Kaffeetisch die vegane Mandel-Limetten- Torte von der Verwandtschaft misstrauisch beäugt wird. Gerade für viele ältere Menschen mit eingefahrenen Essgewohnheiten ist klar: Vegane Ernährung bedeutet Einschränkungen. Weil die Entscheidung, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren häufig im Jugendalter fällt, kommt es somit oft zu Konflikten innerhalb der Familie. Allerdings nutzen auch diejenigen, die vermeintlich alles essen, häufig nur einen Bruchteil aller erhältlichen Lebensmittel.

Der vegan lebende Kraftsportler Patrik Baboumian wird auf dem Vegan-Vegetarischen Sommerfest versuchen, einen Rekord aufzustellen. Foto: DPA
Der vegan lebende Kraftsportler Patrik Baboumian wird auf dem Vegan-Vegetarischen Sommerfest versuchen, einen Rekord aufzustellen. Foto: DPA

Veganer gelten als offener für neue Obst- und Gemüsesorten aus anderen Ländern und neue Lebenmittel generell. Das Sommerfest soll deshalb auch mit den Klischees von Grünzeug und Tofuwürstchen aufräumen. Pluots etwa, eine Kreuzung aus Pflaumen und Aprikosen, sind ein Beispiel für ein veganes Produkt, das es zwar schon länger gibt, aber das erst jetzt in den Supermarktregalen präsent ist und auch den meisten Fleischessern schmecken sollte.

Keine Rebellen mehr

Überdies werden Vorurteile wie das vom Veganer als dünnem Hippie widerlegt. So stellte im vergangenen Jahr Patrick Baboumian auf dem Sommerfest einen Rekord als „Stärkster Mann Deutschlands“ auf. Ob er es diesmal schafft, mehr als die damals getragenen 555 Kilogramm über eine Strecke von zehn Metern zu schleppen, wird sich an diesem Wochenende zeigen, wenn er versucht, seinen eigenen Rekord noch einmal zu brechen. Den Vorwurf, veganes Essen sei zu nährstoffarm, es enthalte nicht genügend Proteine und Eisen, entkräften die Muskelberge des Vegan Strength Team.

Zu erwarten sind außerdem Vorträge des Vegetarierbunds Deutschland (VeBu) über Tiere, Umwelt und Gesundheit. Objektiv sind sie natürlich nicht – es geht, das ist ganz klar, auch um Werbung für den Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte. Auch Lesungen zum dem Thema wird es geben. Zum Beispiel aus dem ungewöhnlichen Kinderbuch „Karl Klops der coole Kuhheld“ von Udo Taubitz. Interessant für Jugendliche, die es schaffen, Eltern, oder Großeltern zum Mitkommen zu bewegen, dürfte überdies der Bericht von Ex-Daimler-Manager Jan Bredack sein, der vom Fast-Food- Konsumenten zum Veganer geworden ist.

Die fleischfreie Dönerbude

Sein Beispiel zeigt, dass Veganer nicht die Freaks sind, als die sie immer noch häufig dargestellt werden – und Eltern es nicht von vornherein als pubertäre Rebellion belächeln sollten, wenn ihre Kinder eines Tages kein Fleisch mehr essen möchten. Denn zumindest unter jungen Menschen sind der vegetarische und vegane Lebensstil mittlerweile eben längst nicht mehr revolutionär, sondern auf dem besten Weg zum Mainstream zu werden. Das dürfte spätestens dann der Fall sein, wenn es den veganen Döner nicht mehr nur einmal im Jahr auf dem Vegan-Vegetarischen Sommerfest, sondern auch bei der Dönerbude unten an der Ecke zu kaufen gibt.

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