Im doppelten Sinn überraschend

90/60/90: Rollenscheiß!
„90/60/90 Rollenscheiß!“ ist eines der acht Stücke, die beim Theatertreffen der Jugend aufgeführt werden. Foto: Mesut Aydin

Diese Woche findet das Theatertreffen der Jugend statt
Von Josephine Valeske, 17 Jahre

Mit zombieartig ausgestreckten Armen und stöckelnden Schritten stürzt Aysima auf Zeynep zu: „Ich befreie dich!“, kreischt sie so schrill, dass man unwillkürlich nach springenden Fensterscheiben Ausschau hält. „Aber ich muss doch gar nicht befreit werden“, erwidert Zeynep unerschrocken. „Natürlich! Dein Kopftuch ist das Zeichen deiner Unterdrückung!“, gibt Aysima zurück. Dann schraubt sie ihre Stimme drei Oktaven hinunter und wird so von der Schauspielerin zur Regisseurin: „An dieser Stelle müssen all die Argumente kommen, die beweisen, dass die Befreier-Barbie überhaupt keine Ahnung hat.“ Die „Befreier-Barbie“ steht in den Augen der Jugendlichen des Jugendtheaterbüros Berlin für Feministinnen wie Alice Schwarzer oder Mitglieder der Femen-Bewegung, die muslimische Frauen generell als unterdrückt ansehen. Gegen dieses Vorurteil, aber auch gegen eine ganze Reihe weiterer Ungerechtigkeiten ziehen die Jugendlichen in ihrem Theaterstück „90/60/90: Rollenscheiß!“ ins Feld, das am Mittwoch im Rahmen des Theatertreffens der Jugend bei den Berliner Festspielen aufgeführt wird. Zu dem Theatertreffen, das noch bis 7. Juni stattfindet, werden jedes Jahr acht von einer Fachjury ausgewählte junge Ensembles eingeladen, um ihre Inszenierungen auf die Bühne zu bringen. Vom Schultheater über die freie Szene bis zu den Jugendensembles etablierter Häuser repräsentieren die eingeladenen Gruppen das gesamte Spektrum der deutschen Jugend-Theaterszene. Ähnlich wie beim herkömmlichen Theatertreffen erheben die Berliner Festspiele auch beim Theatertreffen der Jugend den Anspruch, besonders bemerkenswerte Inszenierungen einzuladen – solche wie „90/60/90: Rollenscheiß!“. Wie viele der Produktionen, die beim Theatertreffen der Jugend zu sehen sein werden, wurde das Stück von vorne bis hinten von den beteiligten Jugendlichen selbst gemacht. Anhand eines fiktiven Besuchs im lebensgroßen „Barbie Dream House“, das vergangenes Jahr einige Wochen am Alexanderplatz stand, zeigt die Theatergruppe, dass die Benachteiligung von Frauen immer noch ein Problem ist. Zu dem Stück wurden die Jugendlichen inspiriert, als eine der Schauspielerinnen, die in einem Kindergarten arbeitete, bemerkte, dass ihr männlicher Kollege trotz der gleichen Ausbildung mehr Gehalt bekam. „Wir haben uns zusammengesetzt und Erlebnisse gesammelt – jede von uns wurde schon einmal belästigt oder hat unter ungerechten Gesellschaftsstrukturen gelitten“, erzählt Dalia, eine der Regisseurinnen. Bisweilen schildern die Jugendlichen den Ernst der Lage in komischen Szenen – wenn sie etwa zeigen, wie einer Bewerberin in einer Anwaltskanzlei zuerst der Job der Putzfrau angeboten wird. „90/60/90: Rollenscheiß!“ macht Lust auf weitere Produktionen beim Theatertreffen der Jugend. Es lässt auf Stücke hoffen, die die Zuschauer doppelt überraschen: mit der schauspielerischen Leistung und originellen Drehbüchern.

Das Programm des Theatertreffens der Jugend findet ihr unter: www.berlinerfestspiele.de

Das könnte Dich auch interessieren

Kategorien Kultur Theater

Auf spreewild.de berichten wir über alles, was uns bewegt – über Schule, Politik und Freizeit, Liebesglück und -kummer oder den Schlamassel mit der eigenen Zukunft. Wir bieten Hintergrundgeschichten zu den Artikeln, die wir auf der Jugendseite veröffentlicht haben, stellen Fotos und Videos ins Netz. Dazu gibt es die Fotoserien der Jugendredaktion, Musik-, Buch- und Filmbesprechungen sowie all die Fragen, die uns die Prominenten jede Woche stellen.