Die Sommerferien sind zwar zu Ende – aber der Sommer noch nicht. Und unsere Reporter schwirren weiter in der Weltgeschichte herum, auf Klassenfahrten oder Austauschjahren. Und berichten davon. In dieser Woche aus Brasilien:
Schon bevor ich nach Brasilien kam, war mir durchaus bewusst, dass die Brasilianer gemeinhin als ausgesprochen heiteres Volk gelten. Tanzen, Lachen und Feste sind für sie so wichtig wie die Luft zum Atmen. Das war auch einer der Gründe, warum es mich nach Aracajú zog. Was ich aber nicht ahnte, war, dass die Menschen hier den Großteil ihrer Tätigkeiten singend verrichten. So singt, pfeift oder summt mein Sitznachbar in der Schule von Beginn des Unterrichtes um 13 Uhr bis zum Schulende um 18 Uhr – und wird anschließend lauthals von seinen Mitschülern bejubelt, mit einer Begeisterung, als hätte Brasilien das Fußballspiel gegen Mexiko doch nicht verloren, sondern mit einem Endstand von 5:0 gewonnen. Ob mit goldener Opernstimme gesegnet oder mit einem Organ, dessen Laute man nur schwer von denen der zahlreichen Straßenhunde in Aracajú unterscheiden kann – man singt. Der Autofahrer hinter dem Steuer, der Kunde, der an der Kasse ansteht, der Patient im Wartezimmer und sogar meine Direktorin in der Schule.
Die Mütter besingen ihre weinenden Kinder, und selbst die Marktschreier lassen es sich nicht nehmen, ihre Ware singend anzupreisen. Ich selbst habe bei aller Integrationsbereitschaft beschlossen, dem Orchester in Aracajús Straßen nicht beizutreten, und singe weiterhin ausschließlich unter der Dusche.
Milena Pfennig (16 Jahre)