Runter vom hohen Kulturross

Josephine Valeske: „Mehr Populärkultur in die Schule!“ Foto: privat

Von Josephine Valeske, 15 Jahre


Selbst die Lehrer sind oft genervt: Goethe, immer wieder Goethe! Ich bin weder ein Kulturmuffel noch uninteressiert an vergangenen Epochen und deren Werken. Brecht, Borchert, Lessing: Jeder hat unter den ­toten Schriftstellern seine Lieblinge. Nein, ich bin wirklich kein Kulturmuffel. Aber ich bin es leid, als solcher bezeichnet zu werden, wenn ich statt der Oper lieber Rockkonzerte besuche. Oder wenn ich nicht Goethes „Faust“, sondern die Texte von „Wir sind Helden“ auswendig rezitieren kann.


Ein großes Problem der heutigen Zeit ist, dass neue kulturelle Erzeugnisse nicht als solche angesehen und immer mit dem Anhängsel „Jugend-„ versehen werden. Label: nicht ernst zu nehmen. Aber gerade junge Künstler machen sich viele gute Gedanken um Themen wie Sexualität, Integration und die Identität des Einzelnen in einer Konsumgesellschaft der Gleichmacherei.


Der ameri­kanische Professor ­Michael Eric ­Dyson hat das erkannt und bietet derzeit an der ­Washingtoner Georgetown-Universität ein Seminar an, das sich mit Texten und Musik des Rappers Jay-Z beschäftigt. Es werden Intention und Sprache des Sängers, der über Kapitalismus, ethnische und sexuelle Fragen rappt,  analysiert und somit auf aktuelle Probleme der Gesellschaft eingegangen. Das Ergebnis: Alle denken mal über soziale Gerechtigkeit nach.


Wird man in 500 Jahren immer noch ausschließlich die „großen“ Schreiber behandeln? Muss denn eine kulturelle Epoche abgeschlossen sein, um in der Schule über ihre Literatur und Musik zu sprechen? Nein! Die Texte politisch engagierter Jugendbands könnten im Politik­unterricht gut als Diskussionsansatz über eine angeblich polarisierte und radikale Jugend analysiert werden, Autoren wie Andreas Steinhöfel, Wolfgang Herrndorf oder Tamara Bach erzählen von Themen wie Selbstfindung und sexueller Identität, die man in hundertjährigen Werken kaum zeitgemäß wiederfinden kann. Auch Poetry Slam als moderne Form der Lyrik zu behandeln, würde das Interesse der Schüler wecken und den Anreiz geben, selbst kreativ zu sein und sich mit Sprache zu beschäftigen. Es muss klar werden, dass es keine hochtrabenden Formulierungen braucht, um Inhalte gut auszudrücken.


Der ewige Kampf zwischen Hochkultur und Populärkultur ist höchst überflüssig. Kultur ist alles, egal ob man nun „Nathan der Weise“ von Lessing liest oder sich „Precious“ von Lee Daniels anschaut. In den Unterricht gehören sie beide.


Welche modernen Werke wollt ihr im Unterricht behandeln?

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