Leben, wo andere Urlaub machen

Die Jugendreporter zogen einen Tag lang mit Touristen durch die Stadt, um herauszufinden, was Berlin so sexy macht


von Rebecca Ciesielski und Sandra Queisser, beide 20 Jahre


Hier kann man Bier auf offener Straße trinken – das ist ziemlich großartig“, sagt Berend-Jan aus Amsterdam. Sein Kumpel Job hat mal für sechs Monate in Berlin gelebt und hier ein Praktikum in einem Plattenladen gemacht. Er ist stolz darauf, dass er nun nach einem halben Jahr wiedererkannt wurde. Nicht etwa von den Türstehern des Berghains, sondernvon Mustafa vom „legendären“
gleichnamigen Gemüsekebab am Kreuzberger Mehringdamm.


Über 457 000 Ausländer aus 190 Staaten waren 2010 in Berlin gemeldet, die Bevölkerungszahl der Stadt wuchs um 0,5 Prozent auf 3 460 700 Einwohner. Berlin wird bunter, pausenlos. Auch wegen der vielen vorübergehenden Verweiler: 929 000 Besucher aus dem In- und Ausland kamen allein in diesem Mai. Und vielen reicht es nicht, nur einige Tage oder Wochen hier zu verbringen. So wie Job bleiben viele länger – zum Studieren, Arbeiten oder nur, um die Mauerpark-Karaoke den ganzen Sommer lang genießen zu können.


Vier Freunde aus Paris schwärmen von der Berliner „Underground-Kultur“. In der französischen Hauptstadt sei vieles etabliert. Berlin dagegen würde sich ständig verwandeln. Nur der Alexanderplatz, der ihnen im Reiseführer empfohlen wurde, sei eine Enttäuschung gewesen: „Das ist einfach eine riesige, hässliche Fläche, wo kaum etwas los ist“, sagt Jean, der sich nicht vorstellen kann, Paris zu verlassen und nach Berlin zu ziehen. Sein Freund Pierre schon – wegen der hiesigen Kunstszene.


Dass die deutsche Hauptstadt an das New York der 70er-Jahre erinnert, ist keine neue Erkenntnis. „Deshalb ist es irgendwie auch gut, dass es hier so viele Menschen mit wenig Geld gibt“, sagt Svea aus Stockholm, die mit zwei Freunden für einige Tage gekommen ist, um durch Clubs und Second-Hand-Läden zu ziehen. Ob Berlin, anders als New York, langfristig „arm aber sexy“ bleiben kann und sein Bohème-Flair behält, wird sich zeigen. Schon heute liegen die Mietpreise in Mitte zum Teil bei zwölf Euro pro Quadratmeter.


Brian aus Sheffield, der im Aufenthaltsraum eines Kreuzberger Hostels sitzt, interessiert das wenig. Er war mit Freunden beim Melt!-Festival und möchte seinen letzten Abend in Deutschland ruhig ausklingen lassen. Das Klischee der Berliner Unfreundlichkeit kann er nicht bestätigen: „Bis auf die Radfahrer, die können richtig schnell aggressiv werden“. Irgendwo muss er ja sein, der Schönheitsfehler.

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