Krise in Bewegung

Getanzte Verzweiflung: Viktoria (Pia Neuber) scheitert an der Gesellschaft. Foto: No Limit e.V.

Jugendliche zeigen in einem Tanztheaterprojekt, wie man zu seinem eigenen Leben findet

von Maximilian Hennig, 18 Jahre

Verloren und verängstigt steht Viktoria auf der Bühne. Im Rhythmus von pochenden Hip-Hop-Beats wird sie von allen Seiten angerempelt und immer weiter von ihrem Standpunkt entfernt. Enttäuscht von der Gesellschaft, in die sie keine Erwartungen mehr setzt, vergiftet sie sich mit Schlaftabletten.

Schon die ersten Minuten des Tanztheaters „Verrückt sind immer die Anderen“, eine Adaption von Paulo Coelhos Roman „Veronika beschließt zu sterben“, reißen die Zuschauer durch die Präsenz und Energie der Tanzwerkstatt No Limit in ihren Bann. No Limit ist ein freier Träger der Jugendhilfe Berlin-Pankow, der seit 20 Jahren Jugendlichen die Möglichkeit gibt, sich unter professioneller Anleitung künstlerisch und kreativ auszudrücken.

Das Stück erzählt die Geschichte von Viktoria, die nach ihrem gescheiterten Suizid in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wird und von dem zwielichtigen Anstaltsleiter erfährt, dass sie nur noch eine Woche zu leben hat. In der Gewissheit, bald zu sterben, beginnt sie sich selbst zu entdecken und ein Bewusstsein für das Leben zu entwickeln. Die Aufführung konfrontiert das Publikum mit dem Tabuthema Selbstmord und dem Scheitern eines jungen Mädchens an der Unbiegsamkeit der Gesellschaft. Es werden die Fragen aufgeworfen, mit denen sich wohl jeder Jugendliche schon einmal auseinandersetzen musste: Wie gelingt es mir, mein Leben in Krisenzeiten wieder in feste Bahnen zu lenken? Wie sehr darf ich von der Normalität abweichen?

Für die Reflexion dieser Probleme bietet „Verrückt sind immer die Anderen“ genügend Freiraum. „Die Bezüge zwischen Viktorias eigenem Leben und den Figuren im Irrenhaus entpuppten sich als eine wahnsinnige Spielwiese, sich mental und ideell auszulassen“, erklärt Choreografin Cirsten Behm, die No Limit gegründet hat. Diese Spielwiese schöpft das Ensemble vollkommen aus und erzeugt durch seinen Tanz eine erdrückende Atmosphäre, die einem kalte Schauer über den Rücken laufen lässt.

Die Schwierigkeit, eine komplexe Handlung nur durch seinen Körper zu erzählen, ist für die 18-jährige Hauptdarstellerin Pia eng mit den eigenen Gefühlen verbunden. „Wir setzen Bewegungen zusammen, die eine bestimmte Emotion darstellen, und durch diese Zusammensetzung entsteht eine Geschichte“, sagt sie.

Doch nicht allein durch die tänzerische Leistung gelingt der Kompanie diese Aufgabe spielend. Mit starren, durchdringenden Blicken offenbart die Tanzgruppe, wie sehr die Rolle ihren gesamten Körper beherrscht. Das Identifikationspotenzial kennt keine Grenzen – fast kann man alle Bewegungen und Regungen auch im eigenen Körper spüren.

„Verrückt sind immer die Anderen“ wird am 18. und 19. Juni, jeweils 17 Uhr, im Theaterforum Kreuzberg aufgeführt. Der Eintritt kostet 7, ermäßigt 5 Euro.

Mehr Infos findet ihr unter
www.tanzwerkstatt-nolimit.de

Das könnte Dich auch interessieren

Kategorien Kultur Theater

Auf spreewild.de berichten wir über alles, was uns bewegt – über Schule, Politik und Freizeit, Liebesglück und -kummer oder den Schlamassel mit der eigenen Zukunft. Wir bieten Hintergrundgeschichten zu den Artikeln, die wir auf der Jugendseite veröffentlicht haben, stellen Fotos und Videos ins Netz. Dazu gibt es die Fotoserien der Jugendredaktion, Musik-, Buch- und Filmbesprechungen sowie all die Fragen, die uns die Prominenten jede Woche stellen.