Sarrazins heilige Schriften

Wo zu wild integriert wird, schmieren Menschen ab: Szene aus „Clash“. Foto: Arno Declair

Das genial-witzige Stück „Clash“ eröffnet am Freitag das 32. Theatertreffen der Jugend


von Josephine Valeske, 14 Jahre, und Marie Sophie Röder, 18 Jahre


Und dann kommt er vom Himmel geschwebt: Ein Deus ex machina, er sitzt auf einem mit Seilen an der Decke befestigten Stuhl. Sein Haar ist weiß, die Nase hakenförmig und er trägt eine Brille mit kreisrunden Gläsern. Außerdem kennt er die Lösung für alle Probleme.


Das Publikum bricht in Gelächter aus, wieder einmal. Das Theaterstück „Clash“ des Jungen DT aus Berlin trifft nicht nur genau den Punkt der Migrationsdebatte, es besticht noch dazu mit viel Ironie und Sarkasmus. Als Eröffnungsstück des diesjährigen Theatertreffens der Jugend (ttj) ist es eine von acht Produktionen, die sich im bundesweiten Wettbewerb durchsetzen konnten und nun vom 27. Mai bis zum 4. Juni im Haus der Berliner Festspiele präsentiert werden.


Am Anfang bricht in „Clash“eine Gruppe junger Menschen mit einem Raumschiff auf, um eine bessere Welt zu suchen. Nach 100 Jahren im Hyperschlaf stürzen sie ab – und landen auf der Erde, anno 2111. Dort ist inzwischen eingetroffen, was Sarrazin in „Deutschland schafft sich ab“ beschrieben hat. Eine Gruppe dominiert die Gesellschaft. Es sind Affen. Sie sind mit Fell bedeckt – oder sind es Bärte und Kopftücher? – und haben Sarrazins Buch zu ihrer heiligen Schrift gemacht. Die wenigen übrig gebliebenen Deutschen leben von Hartz IV und sammeln Müll in AldiTüten. Als die Neuankömmlinge sich einmischen, bricht das Chaos aus.


Die jungen Darsteller haben „Clash“ selbst entwickelt. „Ursprünglich sollte es um ein religiöseres Thema wie die zehn Gebote gehen“, sagt die 22-jährige Regina Loy. Aber weil Regisseur Nurkan Erpulat bei der bunten Mischung an Persönlichkeiten auf spannende Geschichten zur Intergrationsdebatte traf, wurde daraus letztlich eine Antwort auf die Thesen Sarrazins. „Wir haben unangenehme und angenehme Situationen, die wir selbst erlebt haben, überspitzt dargestellt“, sagt Regina.


Es wird gnadenlos mit Klischees gespielt. Als Zuschauer ertappt man sich, wie man lacht, erschrickt und überlegt, ob das Lachen politisch korrekt ist. „Das beobachte ich besonders gern“, sagt Paul Leon Wollin, der einen Menschen spielt, der sich inte­grieren und zum Affen werden will.


„Clash“ ist ein grandioser Auftakt zu einem Festival, das einen Blick auf die junge Theaterszene Deutschlands gewährt. Seit seiner Gründung 1979 gilt das ttj als wichtiger Impulsgeber für die Theaterarbeit von und mit Jugendlichen. Vor allem für die jungen Schauspieler selbst ist es ein Forum, um die Rolle im eigenen ­Schreiben, Spielen und Inszenieren weiter auszubauen. Neben den bemerkenswerten Produktionen werden Workshops und Diskussionsrunden angeboten, die sich auch an Theatermacher und -studierende richten. Dank viel Humor, herausragenden Talenten und der gewohnt offenen Atmosphäre ist also sehr viel mehr zu erwarten als Affentheater.


Das Theatertreffen der Jugend findet vom 27. Mai bis zum 4. Juni statt.


Das komplette Programm gibt es unter www.berlinerfestspiele.de

Das könnte Dich auch interessieren

  • Kurz und gut

    Kino aus aller Welt: Am Sonntag beginnt das Internationale Kinder- und Jugendkurzfilmfestival…

  • Schwung für die Literaturszene

    Kreativ in Berlin: Die 20 besten Nachwuchsschriftsteller kommen zum Treffen Junger Autoren…

  • Ist die Party vorbei?

    Im Watergate diskutierten Experten aus Politik und Szene, wie man die Techno-Kultur…

  • Lampenfiebersüchtig

    Beim Projekt „coo-too-coo“ helfen Künstler Jugendlichen beim Einstieg ins Kulturgeschäft Es ist…

Kategorien Kultur Top-Thema

Auf spreewild.de berichten wir über alles, was uns bewegt – über Schule, Politik und Freizeit, Liebesglück und -kummer oder den Schlamassel mit der eigenen Zukunft. Wir bieten Hintergrundgeschichten zu den Artikeln, die wir auf der Jugendseite veröffentlicht haben, stellen Fotos und Videos ins Netz. Dazu gibt es die Fotoserien der Jugendredaktion, Musik-, Buch- und Filmbesprechungen sowie all die Fragen, die uns die Prominenten jede Woche stellen.