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Liebe Herren, kein Gemächt ist so groß, dass ihr breitbeinig in der Bahn sitzen müsst!

In Madrid wurde es gerade verboten: Das sogenannte „Manspreading“ – breitbeiniges Sitzen von Männern in öffentlichen Verkehrsmitteln. Unsere Autorin findet Sticker und Verbote allerdings falsch – und plädiert stattdessen für mehr Achtsamkeit.

Antonia Eichenauer, 24 Jahre

Auf meinem letzten Flug saß ich neben einem jungen Mann von den Berlin Recycling Volleys. Volleyballspieler sind traditionell groß und auch dieser Kerl hatte vermutlich mehr als 2 Meter Abstand zwischen Scheitel und Fußsohle. Zudem war er kräftig und durchtrainiert. Mit diesen Körpermaßen in ein Flugzeug zu passen, ist nahezu unmöglich. Nun kamen er und seine Kollegen von einem Spiel, es war spät und der Gute schlief neben mir selig schnarchend ein. Seine endlos langen Oberschenkel fielen entspannt auseinander – bis circa zur Mitte meines Fußraums. Ich knotete also meine Beine zwischen meinen Rucksack und die Füße meines Freundes, der im übrigen auch fast zwei Meter groß ist, damit aber noch knapp zwischen eigene Lehne und Lehne des Vordermanns passt. So eingeklemmt schaute ich glücklich von Freund zu friedlich schlummerndem Sportler und konnte über meine Beinsituation nur verständnisvoll lächeln.

Ganz anders hingegen empfinde ich die alltäglichen Sitzgegebenheiten in Bus und Bahn. Rücksichtslose mittelgroße Männer, die weder müde sind, noch gesundheitliche Einschränkungen haben, flätzen sich breitbeinigst neben mir, während meinen Beinen noch gute 15 Zentimeter bleiben. Liebe Herren, kein Gemächt ist so groß, dass ihr eure Beine nicht schulterbreit halten könnt, während ihr sitzt! Ihr kippt auch nicht um. Ich bin mir sehr sicher. Und glaubt ihr etwa, Frauen würden nicht auch gerne mal die angespannten Muskeln im Schritt lockern, indem sie ihre Oberschenkel fallen lassen? Glaubt ihr, Frauen-Schlüppis kneifen nie?

Sich breiter machen, als man ist, ist unverschämt. Dennoch brauchen wir keine Sticker, die Männern vorschreiben, wie sie zu sitzen haben und wie nicht. Wir brauchen auch kein extra Wort dafür, dass Männer häufiger breitbeinig sitzen, als Frauen. Genauso wenig wie ein Wort, dass dasselbe Verhalten auf weiblicher Seite allerdings mit ihren Handtaschen beschreibt. Was wir wirklich brauchen, ist mehr Rücksicht. In jeglicher Hinsicht: Die Beine zusammenfalten, wenn sich jemand neben einem oder auch gegenüber hinsetzt. Für Ältere, Kranke und Kinder aufstehen und Plätze freimachen. Und vielleicht auch ganz einfach mal nach links und rechts schauen, wie es den Mitfahrern so geht. Und bei einem Blick auf die schlangenähnlich eingekringelten Beine einer Frau neben sich, sollte Mann einfach mal Platz machen.

Denn, und das ist vielleicht die traurigste Wahrheit, der Platz gehört euch nicht, liebe breitbeinige Mitmenschen. Es sind öffentliche Verkehrsmittel, der Platz gehört dir genauso wie mir beziehungsweise eigentlich uns beiden gar nicht. Wir teilen. In der Bahn ist kein Platz für Machos und Machtgehabe. Wir wollen von A nach B kommen. Mehr nicht. Also provoziert euch nicht durch vorgetäuschte Körperbreite sondern mit Dingen, auf die man tatsächlich etwas geben kann. Macht zum Beispiel Sport. Seid erschöpft, weil ihr für eure Mannschaft alles gegeben habt. Gewinnt ein Volleyballspiel.

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