Wer in Berlin eine Wohnung sucht, braucht Geduld. Nicht selten reicht die Warteschlange bis auf die Straße. Foto: El Paparazzo/Fotolia
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Marode, teuer, ohne Einbauküche: Nehme ich! – Erfahrungen eines Wohnungssuchenden

Massenbesichtigungen mit langen Warteschlangen, genervte Makler und rasant steigende Preise. Berlins Wohnungsmarkt ist nichts für Menschen, die leicht den Mut verlieren. Ein Kommentar.

„Wie gefällt Ihnen die Wohnung?“ Leicht irritiert starre ich den jungen Studenten an, der vor mir steht und sich als Makler vorgestellt hat, obwohl ich natürlich wusste, dass er das hier nur als Nebenjob macht. Lose Kabel hängen von der Decke, schon vor Ewigkeiten abgebröckelter Putz sammelt sich am Boden, nur notdürftig auf die Seite geschoben. Plötzlich ein Geräusch. Die S-Bahn im Schlafzimmer ­­– Großstadtfeeling pur. Keine Einbauküche, maroder Zustand, 750 Euro warm und dennoch drängen die nächsten Interessenten in die 60 Quadratmeter Wohnung am Savignyplatz und steigen sich gegenseitig auf die Füße. So krass sehen zwar nur ein paar wenige Wohnungen auf meiner sechs-monatigen Besichtigungsodyssee aus, doch im Grunde beschreibt diese eine den Berliner Wohnungsmarkt doch allzu gut: er ist – sagen wir mal – kompliziert.

Monatelang werde ich hingehalten mit dem Versprechen, der Mietvertrag hänge nur noch von einigen kleineren Lappalien ab. Die Rückmeldung am Ende bleibt aus, wie so oft ist niemand mehr erreichbar oder ich werde schlicht vertröstet. Das andere Extrem: eine Wohnung bleibt über Monate im Web. Zur Besichtigung kommen dann jedes Mal 100 Leute, in Fünfer-Gruppen wird man durch die Wohnung geschubst, nur um am Ende eine mehrseitige Bewerbung abzugeben, welche sowieso im undurchdringlichen Gewühl der Anfragen untergeht.

Frustrierend.

Ähnliches widerfährt mir am nächsten Tag, als ich um Punkt neun Uhr anfange, die Wohnungen zu sichten, die seit gestern neu hinzugekommen sind. Um halb elf rufe ich die erste Nummer an, nur um zu erfahren, dass in den letzten anderthalb Stunden 350 Anfragen eingegangen sind. Fürs Erste solle ich mir bitte keine Hoffnung machen. Die Unterlagen können dabei noch so gut sein, wer sollte sie ansehen bei so vielen Bewerbungen? Frustrierend. Kontaktformulare hatte ich schon lange aufgegeben, Rückmeldungen bekam ich sowieso nicht.

In den Randbezirken gibt es natürlich noch den ein oder anderen Schatz zu finden, vorausgesetzt man ist bereit, jeden Tag bis zu zwei Stunden an die Uni zu gondeln. Innerhalb des Rings sieht es dann schon schlecht aus, selbst wenn die einzige Präferenz eine simple Einbauküche ist.

Ich fühlte mich etwas billig, war bereit, alles anzunehmen, was sich bot.

Mit der Zeit stieg das Budget, längere Fahrtzeiten schienen urplötzlich erträglicher und die Ansprüche an die Wohnung sanken. Ich fühlte mich etwas billig, war bereit, alles anzunehmen, was sich bot. War man anfangs noch in dem Glauben, im für eine Metropole noch recht günstigen Berlin – das hiesige Lohnniveau war mir zu dieser Zeit noch nicht bewusst – etwas zu finden, folgte schon nach kurzer Zeit die Ernüchterung. Einen potenziellen Mitbewohner hatte ich zwar, aber speziell Zweiraumwohnungen zogen Pärchen und frisch Zugezogene an wie der Speck die Fliegen.

Tja, und dann war da ja noch der ganze Papierkram. Bewerbungsschreiben blieben mir zum Glück erspart, doch angefangen bei Schufanachweisen, Gehaltsnachweisen der Eltern von einem Jahr, Grundbucheinträgen und Immatrikulationsbescheinigungen war alles dabei. Wenn möglich sollte alles immer innerhalb einer Stunde vorliegen. Meine Eltern haben den ganzen Tag nichts zu tun, ich natürlich auch nicht. Als arbeitsscheuer Student stehe ich schmierigen Maklern und zickigen SekretärInnen 24/7 zur Verfügung, um alle Wünsche zu erfüllen.

Sonniger Altbau mit Parkett, das Zimmer an die 15 bis 20 Quadratmeter groß und das Ganze zu einem erschwinglichem Preis in irgendeinem megaangesagten Bezirk, am liebsten Prenzlauer Berg, Kreuzberg oder Friedrichshain. So wie ich sind wohl viele mit genau dieser (ziemlich) verklärten Vorstellung nach Berlin gekommen. Klar, immer wieder trifft man jemanden, der behauptet, innerhalb von zwei Tagen ein Zimmer oder eine Einraumwohnung im Prenzlauer Berg gefunden zu haben. Ein Mythos denkt man sich, in Berlin unmöglich.

50 Besichtigungen, gefühlte tausend Anschreiben und sechs Monate dauerte es schlussendlich bis auch ich einmal Glück hatte. Eine nette Wohnung in Moabit, perfekt. Naja quasi: Staffelmiete mit drei Prozent und die wichtigsten Daten mal schön über die ganze Stadt verteilt. Zwei Tage später lese ich, dass der Wohnungsmarkt jetzt dicht ist. Auf eine Wohnung in Kreuzberg haben sich anscheinend 1200 Menschen beworben. Berlin, das kannst du doch besser.

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