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Klartext

Treibt den Schweigefuchs aus Friedrichshain

Es ist mal wieder Sommer, und mal wieder gibt es eine neue Organisation, die Friedrichshain leiser machen möchte.

Mal wieder eine Organisation für die 37-jährige, zugezogene Mutter und ihren gut verdienenden Mann, die in den Szenekiez gezogen sind, um mittendrin zu sein, aber gar nicht mit diesen rumplärrenden, jungen, kinder­losen Leuten klarkommen.

Die Organisation heißt Fair Kiez. Ihr Ziel ist es, die „Ballermanni­sierung“ Friedrichshains zu stoppen. Im vergangenen Jahr schickten sie abends Pantomimen durch die Straßen, die die Draußensitzer mahnend anblickten. Aber in diesem Jahr enttäuscht Fair Kiez: keine Pantomimen. Keine Lärmampeln. Einfach nichts hat man sich einfallen lassen, um die Feiernden zu unterhalten.

Mal ehrlich: Langsam nervt es. Jedes Jahr das Gleiche. Wer hat sich denn bitte ausgedacht, dass mein schönes, dreckiges, lautes Berlin plötzlich hip sein muss? Und wer sind diese neuen Leute in der Stadt, die meinen, sie könnten einfach mit ihrem Grand Cherokee in Family-Comfort-Edition vorfahren und mir meinen Bezirk wegnehmen?

Ich habe ja eigentlich gar nichts gegen euch, solange ihr euch so verhaltet, wie alle anderen auch. Wenn ihr erst mal ein bisschen hier wohnt und gelernt habt, dass man Börek der Brezel vorzieht und der Fahrplan nur eine nette Haltestellen­dekoration ist, dann werdet ihr ­irgendwann merken, dass ihr ohne den Dreck und den Lärm nicht mehr könnt. Aber bis dahin bekommt ihr mich nicht aus meinem Friedrichshain raus. Ganz gleich, wie viele Bürgerinitiativen, Engagements oder Vereine zur Ruhigstellung der Jugend noch initiiert werden. Ich werde ab 23 Uhr weder reingehen noch flüstern. Den „Schweigefuchs“ meiner Lehrerin fand ich auch schon immer ätzend.

Liebe Wahlberliner aus der Fair-Kiez-Gemeinschaft: Es hat euch niemand darum gebeten, hierher zu ziehen. Wenn man zu viel Freizeit hat, muss man nicht anderen auf den Sack gehen. Es gibt genügend Möglichkeiten, sich sozial zu engagieren, aber bitte nicht so. Jetzt geht euren veganen Chickensalat mit Chiasamen essen und überlegt euch, wie ihr euch bessern könnt. Und wenn ihr darauf keinen Bock habt, dann wäre es wirklich fair, den Kiez zu verlassen. Zehlendorf soll auch schön sein.

Von Nils Hagemann, 15 Jahre

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