Wir brauchen Räume zum Drogennehmen


Shirine Issa ist für die Einrichtung von Fixräumen am Kottbusser Tor. Foto: Privat

Schafft Raum zum Drogennehmen – das ist im Klartext, was die Türkische Gemeinde Berlin fordert. Wollen wir nicht eigentlich alle gegen Drogen, Sucht und Abhängigkeit kämpfen? Ja, aber die Türkische Gemeinde macht sich mit dieser Forderung nicht für eine Legalisierung von Drogen stark. Sie fordert die Einrichtung von Fixräumen rund um das Kottbusser Tor – Räumen, in denen Drogenabhängige saubere Spritzen bekommen und sie sich unter hygienischen Bedingungen setzen können. Dadurch soll sich die Situation im Kiez verbessern, denn seit Jahren werden dort in aller Öffentlichkeit Drogen genommen und verkauft.


Es gibt bereits einige Fixräume in Berlin, sie sind aber umstritten. Argumente dagegen liegen auf der Hand: Es werden Einrichtungen geschaffen, in denen Menschen Drogen nehmen können. Die klare Aussage gegen Rauschmittel wird relativiert. Heroin, Koks, Extasy – alles scheint gebilligt. Und das wollen wir schließlich nicht, Drogen soll es bei uns nicht geben. Aber diese Sichtweise ist zu eingeschränkt: Viele Menschen in unserer Stadt sind drogenabhängig, setzen sich regelmäßig „einen Schuss“, und zwar unabhängig davon, ob es Fixräume gibt oder nicht. Allerdings beinhaltet jede Spritze die Gefahr einer Infektion. Zur Drogensucht kommt dann vielleicht Aids dazu. In den Fixräumen bekommen die Menschen saubere Spritzen und eine saubere Umgebung.


Drogenkonsum wird damit keineswegs als richtig angesehen, aber das Problem wird anerkannt und in die Gesellschaft getragen. Und dort gehört es auch hin. Schließlich sind auch die Nutzer der Fixräume Teil unserer Gesellschaft.


Für die Mieter, die plötzlich einen Fixraum im Haus haben, ist das sicher eine schwierige Situation. Aber wir leben nun einmal weder in Disneyworld noch im Wunderland. Wer Mitglied in einer Gesellschaft sein möchte, muss auch ihre Schattenseiten sehen und akzeptieren.


Fixräume zeigen den abhängigen Menschen nicht zuletzt, wie ihnen geholfen werden kann. In den Räumen gibt es medizinisches Personal und Helfer, die Wege aus der Sucht aufzeigen können. Insofern vermitteln diese Einrichtungen eine wichtige Botschaft an die Drogenabhängigen: Ihr seid nicht verloren, sondern gehört zur Gemeinschaft wie jeder andere. Dieser Aussage sollten sich die Anwohner, die immer sofort auf die Barrikaden gehen, wenn irgendwo ein Fixraum entstehen soll, anschließen und ihre Vorurteile einer Realitätsprüfung unterziehen. Von Shirine Issa, 20 Jahre

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Kategorien Klartext

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