#JMT19: Das Phänomen Podcast

Vom entspannten Talk über Gott und die Welt bei „Herrengedeck“ bis zu Kriminalfällen bei „ZEIT Verbrechen“: Podcasts gehören inzwischen zum Alltag vieler junger Menschen. Im Rahmen der Jugendmedientage 2019 hat Ilya Portnoy diesem Phänomen auf den Zahn gefühlt.

Von politikorange-Reporter Ilya Portnoy

Ich gestehe: Vor den Jugendmedientagen (JMT) 2019 bin ich selbst noch nie mit Podcasts in Berührung gekommen und hatte auch kein Problem damit. Zu wenig Zeit, kein Interesse, ein fehlender Bezug zum Thema. An schlechten Ausreden, warum ich nicht zum Hören komme, mangelte es nicht. „Menschen sind ultrafaul“, weiß auch Stefan Spiegel. Er ist Formatkonzepter und Creative Producer bei funk. Bei den JMT hat Spiegel seine Erfahrungen im Workshop „How to Podcast“ weitergegeben. Vorweggenommenes Fazit: Es gibt für mich noch sehr viel nachzuholen. Mit der Frage, worin die Faszination von Podcasts liegt und mit welchen man seine ersten Schritte als Hörer machen sollte, habe ich mich unter die jungen Medienmacherinnen und Medienmacher gemischt.

Ein Großteil der Userinnen und User nutzt Apps wie Spotify um neben ihren „Stammpodcasts“ persönliche Vorschläge zur Ergänzung zu erhalten. So auch Simon Dörr aus Mainz. Der 19-Jährige studiert „Media: Conception & Production“. Er ist über den Google Home Assistent zum Hören von Podcasts gekommen, obwohl es keine Liebe auf den ersten Blick war. Denn als freier Journalist ist Simon beim Radio tätig, so etwas wie dem „Gegner der Podcasts“. Ursprünglich wollte er sich auch nicht vom radiotypischen Mix aus Wort und Musik lösen. Im Vergleich zum „linearen, durchgeplanten“ Radioformat bieten Podcasts aber mehr Freiheit. Neben der Möglichkeit, selbst über das Thema zu bestimmen, kommt die Option hinzu, nach Belieben zu pausieren oder zurückzuspringen.

Nichts ist so einfach wie es wirkt

Johanna Hegermann aus Hamburg kann sich für eine ganze Menge Podcasts begeistern. Die 22-Jährige macht gerade eine Ausbildung zur Mediengestalterin Bild und Ton beim NDR. Sie hört Podcasts nahezu jederzeit – morgens beim Frühstück „wo früher das Radio lief“, in der Bahn und beim Einschlafen. Für Johanna ist der Unterhaltungsfaktor am wichtigsten. Sie hört Podcasts meist ohne Themenbezug. Rundfunk 17 sei demnach ein richtiger „Bombenpodcast“. Da geht es um zwei Jungs, die sich anredo und BastiMasti nennen und sich „über richtig viel Schwachsinn unterhalten“. Aber gerade das sei sehr amüsant.

Solche vermeintlich sehr frei gesprochenen „Laberpodcasts“, wie der Workshopleiter Sebastian Spiegel sie bezeichnet, haben, wenn sie gut gemacht sind, stets eine klare, wenn auch verborgene Struktur. Einfach Drauflosreden funktioniere nie. Um sich vom 08/15 abzuheben bedarf es interessanter Aufhänger. Das können Challenges oder Lifehacks sein. „Humor ist der beste Trigger“, sagt der Formatkonzepter. Inhaltlich wird idealerweise eine Botschaft transportiert. Zudem können Podcasts sehr unterschiedlich gestaltet sein, da gibt es kein Geheimrezept. „Zu sagen: Ich will wissen, wie ein Podcast funktioniert!“, funktioniert nicht. Allerdings gibt es einige Grundregeln. So kann ein guter Titel die Aufmerksamkeit derjenigen, die nach Neuem Ausschau halten, genauso erhöhen wie eine knackige Beschreibung. Interessante Gäste sollten schon am Anfang der Folge als Earcatcher zu hören sein. Denn abermals gilt: „Menschen sind ultrafaul“.

Foto: Kurt Sauer/Jugendpresse Deutschland

Ein Blick in die eigene Persönlichkeit

Johanna empfiehlt mir für den Einstieg „Fest und Flauschig“ von Olli Schulz und Jan Böhmermann. Neben der großen Podcast-Erfahrung der beiden Moderatoren, hebt die Hamburgerin noch einen weiteren Aspekt hervor: „Es ist interessant, an ihrem Leben teilzuhaben“. Nichts Ungewöhnliches, denn laut Spiegel ist eine „krasse Persönlichkeitsbindung“ bei der Auswahl eines Podcasts essenziell. Der Bezug zu den Menschen hinter den Stimmen ist also besonders ausschlaggebend. Das finde ich sowohl interessant als auch etwas einschüchternd. Denn offenbar lässt der eigene Podcast-Geschmack dem Hörer zuweilen ganz tief in die Seele blicken. Als Produzent sollte man das zum Thema seines Podcasts machen, was einen selbst reizt und erst im zweiten Schritt an die Zielgruppe denken. Denn im Idealfall ist man selbst Teil der Zielgruppe – und das steigert die persönliche Bindung.

Der Wunsch vom „abgeholt werden“

Neben der reinen „Laberpodcasts“ kann mit Formaten wie „Lage der Nation“ auch das tagespolitische Geschehen gut verfolgt werden. Auf der Medientour im ARD Hauptstadtstudio haben sich Teilnehmende der JPT in einem Gespräch mit Korrespondentinnen und Korrespondenten über ihre Bedürfnisse ausgetauscht. Dabei wurde der Wunsch geäußert, Nachrichten in einer eingehenden Form präsentiert zu bekommen. So fehle im Fernsehen eine Brücke zwischen Kindernachrichtensendungen („Logo“) und der Tagesschau. Um als junge Erwachsene bei den komplexen Ereignissen wieder einzusteigen, müsse man erst inhaltlich „abgeholt werden“. Dem könne optimal mit dem Konzept „Podcast“ begegnet werden. Zwar gebe es schon ähnliche Formate auf YouTube und den Streaming-Plattformen. Dennoch müsse man mit der Zeit auch die Lücke bei den traditionellen Medien TV und Radio füllen.

Podcasts sind am Puls der Zeit

Nach dem Austausch bei den JMT habe ich einiges für mich persönlich mitgenommen. Vollkommen faszinierend finde ich etwa die Idee von „Alles gesagt“. Dieser Podcast kann ewig laufen, solange bis der eingeladene Interviewpartner tatsächlich alles gesagt hat oder ein festgelegtes Codewort in den Mund nimmt. Verplappert sich der Gast so ist aber alles schon nach wenigen Minuten vorbei. Podcasts sind immer noch ein vergleichsweise kleines Medium, dem aber die Zukunft gehört. Sie bilden eine eigene Welt, die täglich wächst. Künftig möchte ich die Chance nutzen, daran teilzuhaben. Aus Interesse, aber auch aus der Verantwortung heraus, den Finger am Puls der Zeit zu haben.

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