Polly und Laela nach einer langen Nacht
Interview

„Jung, giftig und Schwarz“: Ballhaus Naunynstraße begegnet Rassismus und Sexismus mit bissigem Humor

Mitte 20, afrodeutsch, Feministin und Single in Berlin? In ihren Satirekomödie begegnen Thandi Sebe und Amina Eisner Rassismus und Sexismus. Wir haben die Autorinnen getroffen.

Von Selly Häußler, 28 Jahre

In ihrem Theaterstück „Jung, giftig und Schwarz“ begegnen Thandi Sebe (31) und Amina Eisner (29) Rassismus und Sexismus mit bissigem Humor. Die Charaktere Polly und Laela sind Mitte zwanzig und tauschen sich nach einer durchfeierten Nacht über ihre Erlebnisse aus: Da gibt es den unreflektierten Entwicklungshelfer, die „Olle“ auf der Toilette, die auch mal gerne Schwarz wäre und den rappenden Horst-Peter. Im Ballhaus Naunynstraße wurde das Stück innerhalb von fünf Jahren bereits mehrmals aufgeführt. Interessierte haben dazu wieder vom 12. bis 14. März die Gelegenheit. Was sie dort erwartet, verraten Thandi und Amina im Interview.

Wie kam es zu der inhaltlichen Idee von „Jung, giftig und Schwarz“?

Amina: Wir wollten ein Stück schreiben, das wir uns selbst gerne anschauen würden. Das unterhält, aber nicht opfermäßig dargestellt wird. Wir wussten nur, sie sind beide Single, in Berlin, Mitte zwanzig und es sollte um Alltagsrassismus gehen. Wie das dann aussehen wird, hat sich erst beim Schreiben ergeben und manche Nuancen auch erst in der Probe.

Thandi: Ausgangspunkt war ja, dass wir etwas über Frauen schreiben wollten, mit denen wir uns identifizieren können. Dass wir uns gerne selbst auf der Bühne sehen würden: Frauen, die das durchmachen, was wir durchmachen. Ausgangspunkt war auch von Anfang an, dass es witzig sein muss.

Amina: Aber wirklich witzig, nicht so haha, sondern richtig witzig. Es ist eine Satirekomödie, eine bei der dir das Lachen im Hals stecken bleibt. Manche Witze machen wir, weil wir die Erfahrung selbst gemacht haben. So oft, dass wir schon an dem Punkt sind, an dem man nur noch darüber lachen kann. Weil uns weinen auch nicht mehr weiterbringt. Das war damals auch ein Stichpunkt: nicht rumheulen.

Also sind euch Situationen, die im Stück vorkommen wirklich passiert?

Amina: Nicht so, wie sie im Stück vorkommen. Die echten Erfahrungen sind gebündelt. Es ist ja auch kein autobiografisches Stück. Ich habe zum Beispiel in meinem Freundeskreis und bei Verwandten nachgefragt, was ihnen so passiert ist. Es ist ein Zusammenschnitt aus vielen Perspektiven und dann noch ein bisschen weitergedacht.

Thandi: Es sind Szenarien, die man als Afrodeutsche kennt. Sie sind natürlich überspitzt und zur Unterhaltung geformt.

Wie kam es überhaupt zu eurer Zusammenarbeit?

Amina: Wir haben uns am Ballhaus kennengelernt, ich war Regieassistentin und Thandi meine Hospitantin. Es war eine sehr zeitintensive Produktion, deshalb haben wir uns viel gesehen. Das war 2013.

Was habt ihr für eine Ausbildung gemacht?

Amina: Ich hab’ Drama, also Regie und Schauspiel im Bachelor in Liverpool studiert. Schon an der Uni habe ich geschrieben, aber „Jung, giftig und Schwarz“ war mein erstes Stück in Berlin.

Thandi: Ich habe Anglistik und Amerikanistik an der HU studiert. Mit Schauspiel bin ich aufgewachsen. Ich war in der Schulzeit in der Agentur von meinem Vater und hab immer mal wieder irgendwelche Jobs, zum Beispiel für Werbespots gehabt.

Welche Aufgaben habt ihr beim Stück selbst übernommen?

Amina: Drehbuch, Regie und Schauspiel. Wir haben alles sehr eng zusammen gemacht. Ich war in London, Thandi in Kapstadt und dann haben wir ab und zu geskypt. Aber wir haben beide alles gemacht.

Thandi: Ich bin immer noch erstaunt darüber, dass dabei ein Stück rausgekommen ist.

Amina: Als wir es das erste Mal gelesen haben, waren wir froh zu sehen, dass es irgendwie funktioniert.

„Es ist schwer als Teil der deutschen Mehrheitsgesellschaft aus dem Stück zu gehen ohne über irgendwas nachdenken zu müssen.“

sagt Amina

Zusammen Schreiben ist ja immer schwierig, wenn man die Bereiche nicht ganz klar aufteilt.

Amina: Ich glaube es hat geholfen, dass wir uns vorher so intensiv kennengelernt haben, dass wir uns gut verstanden haben und auch dass wir beim Schreiben nicht direkt nebeneinander saßen. Wenn einer ins Dokument reingeguckt hat, hattest du immer noch Zeit dazwischen.

Thandi: Nein, weißt du woran ich mich erinnere? Wir hatten irgendwann Google Docs und haben dann angefangen uns gegenseitig im Dokument rumzuschreiben. Während ich schrieb, hat Amina gleichzeitig meine Sachen gelöscht! (Lachen) Es war schon ein Prozess.

Wollt ihr mit dem Stück ein Umdenken bewirken oder wollt ihr eher, dass PoC-Frauen sich angesprochen fühlen und sich wiederfinden? (Anm. d. Red.: PoC steht für „People of Color“ und bezeichnet alle, die sich als nicht-weiß einordnen bzw. gelten.)

Amina: Ich glaube, das eine geht nicht ohne das andere. Aber das Wichtige für mich ist, dass BPoC-Frauen (Anm. d. Red.: steht für „Black People of Color“ und bezeichnet alle, die sich als Schwarz sehen) sich wiederfinden, weil man sich sonst nie wiederfindet. Naja, wir spielen das seit fünf Jahren. Zumindest damals fand man sich als Schwarze Frau nicht auf der Bühne in einem positiven Licht wiedergespiegelt. Es ist auf jeden Fall kein Belehrungsstück für die weiße Mehrheitsgesellschaft. Ich glaube aber, dass es schwer ist als Teil der deutschen Mehrheitsgesellschaft aus dem Stück zu gehen ohne über irgendwas nachdenken zu müssen. Ich habe weiße Freunde, die nach dem Stück gesagt haben „Bestimmte Dinge hab ich früher auch gemacht, die andere Seite dazu war mir gar nicht klar.“ Für mich persönlich war das aber zweitrangig.

Ihr könnt „Jung, giftig und Schwarz“ am 12., 13. & 14. März um 20 Uhr und am 15. März um 19 Uhr im Ballhaus Naunynstraße sehen.

Amina arbeitet im Ballhaus an zwei weiteren Projekten und an dem Stück „Afrokultur“ mit Natasha Kelly. Thandi arbeitet hauptsächlich in Kapstadt als Schauspielerin und ist Autorin.

Kategorien Interview Kultur Theater

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